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Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
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empfindlich, und er mochte – offen gestanden – die »Sojusniki« ganz und gar nicht, weil viele von ihnen nicht in der Armee gedient hatten, nicht »stemmen« wollten und sich in seinen Augen überhaupt unmännlich aufführten. Sie beschmierten nachts die Häuserwände, warfen Tomaten, organisierten Konzerte, bei denen sich ein betrunkenes und lautes, langhaariges, nach Hund stinkendes Publikum versammelte, sie selbst sangen dumme Lieder zur Gitarre … »Geht in Arsch«, sagte Oleg, kam aber trotzdem zur Versammlung, er hatte den »Sojusniki« einige Male ordentlich geholfen.
    »In Arsch sollt ihr gehen, in Arsch«, wiederholte er, »aber was soll man sonst tun? Wenn sich wenigstens irgendwelche bösen Wölfe in der Partei versammelt hätten … Oder sind alle schon abgehauen?«
    Oleg hatte die Aufgabe, bei Demonstrationen mit der Miliz zu kommunizieren – er verstand es, sich mit seinen früheren Kollegen aus dem Dienst zu arrangieren; die einfachen Polizisten hatten noch immer ein normales Verhältnis zu ihm, obwohl sie ihn wegen seiner Verbundenheit mit den »Sojusniki« als ins Hirn gefickt bezeichneten.
    Kamen allerdings andere Einheiten, wurde er jedes Mal wegen Flegelhaftigkeit verhaftet, doch selbst dann erdreistete er sich, während sie ihn zum Auto schleppten, derartigen Wirbel zu machen, dass die anderen »Sojusniki«, die rasch davonliefen und die Fahnen schwenkten, unbehelligt blieben.
    Dann wurde im lokalen Fernsehen Olegs bösartige Visage gezeigt – wie er von Vieren oder Fünfen in ein Auto mit Blaulicht gezerrt wurde. Er war ein gewiefter Typ – zwar veranstaltete er ein Riesengetöse, aber bei der Klärung der Umstände seiner Verhaftung reichte sein Affentheater niemals für mehr als eine Verwaltungsstrafe wegen »mutwilliger Widersetzlichkeit«. Er brüllte durchdringend laut oder grölte wild herum. Oder er riss mit seinen kurzen, kräftigen Fingern Erdbrocken aus der Grünfläche, Asphaltstücke und Zweige von den Sträuchern neben der Straße, während er auf den Bauch gedreht von den Ordnungshütern weggeschleppt wurde.
    Oleg verstand es, Hysterie so vorzutäuschen, dass man glaubte, er besitze schon keinerlei Kontrolle mehr über sich selbst und kehre auch nie mehr in einen Normalzustand zurück. Sascha hatte diese Anfälle von Hysterie mehrfach beobachtet – sowohl bei Demonstrationen als auch bei spontanen Prügeleien, wenn Oleg das unerträgliche Gesinde wegräumte – und er hatte verstanden: Dieser Typ war ziemlich schlau. Fast unerträglich schlau, wie das letzte Tier.
    Natürlich, er konnte auch nüchtern und ruhig sein. Wenn es zu einem wirklich wichtigen Gespräch mit wem auch immer kam, blickte er dem anderen direkt in die Augen, antwortete sachlich und knapp, so, wie vermutlich Fragen in einem Gefängnis beantwortet werden.
    Er änderte sein Verhalten ganz abrupt, empfand keinerlei Mitgefühl mit einem Lebewesen – bei einem Kampf konnte er einem Menschen einen Finger brechen. Einmal tat er das tatsächlich – Sascha hatte dieses Knacken gehört und erinnerte sich.
    Er hasste die Macht – und zwar flächendeckend – und wünschte den Premierministern und Gouverneuren den Tod – im wörtlichen Sinn, den physischen Tod, einen möglichst originellen, und einen, der möglichst langsam vonstatten geht.
    Eine Waffe besaß er, Oleg, er hatte sie aus Tschetschenien mitgebracht, irgendwo gegen ein Flasche Wodka eingetauscht. Das hatte er Sascha selbst einmal erzählt.
    Sascha hatte allerdings die Angewohnheit, sich an nichts Überflüssiges zu erinnern, er fragte nie nach, um im Kopf keinerlei Information zu haben, die mit dieser oder jener handwerklichen Methode herausgeholt werden könnte. Deshalb wusste er auch nicht, um was für eine Waffe es sich handelte, und ob es sie überhaupt noch gab.
    Als Oleg von der Pistole sprach – wurde noch keine Waffe benötigt. Jetzt aber sollte sie zum Einsatz kommen.
    Er telefonierte mit Oleg und suchte ihn dann in Weras Begleitung bei sich zu Hause auf.
    Bislang war er nur einmal bei Oleg gewesen.
    Er klingelte an der Tür, Oleg rief – es sei offen. Beim Hineingehen sah Sascha Oleg vor einem großen Spiegel – er stand total nackt da, zeigte den Eintretenden sein Profil.
    Sascha blieb auf der Stelle stehen, irritiert, verkniff sich aber sofort das Grinsen, das aufrichtig, aber auch ein wenig bestürzt war.
    »Du bist schon da, San? Und warum bleibt ihr stehen?« Oleg bedeckte seine schwere Gerätschaft mit der

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