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Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
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möglicherweise erst dort aus? Ist das der Fall – dann ist es schlecht.
    »Dann laufe ich rein, das Tor wird geschlossen, und ich sitze dem Richter im Nacken und warte, bis die Polizei kommt. Gut …«
    Er kehrte in das Hotel zurück, war müde; unterwegs hatte er Pizza und Bier gekauft. Das war sein Abendbrot, er aß rasch aber mit Genuss. Schlief sofort ein.
    Ausgeruht, nach einem traumlosen Schlaf, stand er pünktlich um acht auf, nahm eine Dusche, und machte sich – den neuen Portier freundlich grüßend – in die Stadt auf. Er atmete die kühle Luft, zog den Stadtplan aus der Tasche und ging zum Gerichtsgebäude.
    Tagsüber gefiel ihm Riga weniger, vielleicht, weil ihm am Kopf kalt war. Er ging schnell, atmete durch die Nase, bleckte die Zähne – die kühle Luft war süß.
    Mühelos fand er das Gebäude – als er es sah, machte sich plötzlich sein Herz bemerkbar, es klopfte heftig und schwer.
    Er ging nicht hinein, sondern beschloss, um vier Uhr nachmittags wieder hierher zu kommen. Dann würde er warten. Zumindest musste er herausfinden, ob der Richter mit dem Auto oder zu Fuß nach Hause ging. Und sollte er zu Fuß gehen, dann musste er den Weg herausbekommen.
    »Richtig, ich schau jetzt mal den Stadtplan an …«
    Dass sich bei dem Gericht kaum Menschen aufhielten, kam ungelegen – dem Gebäude gegenüber allein dastehen und jedem, der da aus der schweren Tür rauskam, direkt ins Gesicht schauen, das wollte er irgendwie nicht.
    »Soll ich mir ein Fernglas kaufen?«, überlegte Sascha, der sich nach einem Standort umschaute, von wo aus er mit dem Feldstecher beobachten könnte. Den gab es aber nicht. Er ging bis zum nächstgelegenen Café und hatte plötzlich Hunger. Die dicke Speisekarte nahm er sich selbst von der Ablage und ging damit zu einem leeren Tisch in der Ecke des Cafés. Die Speisen und Getränke waren nicht auf Russisch aufgeführt. Sascha blätterte die Speisekarte rasch durch und legte sie wieder weg, innerlich schimpfend.
    »Ich möchte eine Suppe«, sagte Sascha zum Kellner. »Gibt es Suppen? Alle, die auf der Karte stehen?«
    Der Kellner nickte.
    »Und Wodka? Gibt es Wodka?«
    »Gibt’s«, war die Antwort, und Sascha freute sich über das erste russische Wort, das er hier hörte.
    »Also bring mir einen Wodka. Hundertfünfzig Gramm. Und irgendeinen Salat. Nein, zweihundert. Und einen Salat. Dauert das lang?«
    »Wir machen sie gleich warm.«
    »Den Wodka wärmen Sie aber nicht.« Der Kellner ging ohne zu grinsen.
    »Und warum hat er mich nicht gefragt, welche Suppe ich nehme?«, überlegte Sascha. »Ist mir aber auch egal. Ich esse alles.«
    Beim Essen war er nie wählerisch gewesen, und er trank auch alles.
    Nach fünfzehn Minuten wurde die Suppe gebracht, Sascha hatte währenddessen drei Zigaretten geraucht. Im Kopf drehte es sich schon unangenehm, auf der Zunge hatte er den Geschmack von Zellophan.
    Er begann zu essen, verbrannte sich die Zunge, schielte zum Wodka. Er zappelte unruhig im Sessel – vielleicht wegen des Hungers. Der Wodka schwappte vorwurfsvoll in der Karaffe hin und her. Er schenkte ein, trank in einem Zug, aß ein Stück Brot dazu, verbrannte sich abermals an der Suppe. Er zog ein säuerliches Gesicht. In seinem Inneren jedoch wurde es zärtlich und warm.
    Eine Weile später streckte er die Beine unter dem Tisch aus und begann sich im Café umzuschauen. An niemandem bemerkte er etwas Besonderes.
    Er hatte den Wodka ausgetrunken, pustete in die Suppe, zum Salat bestellte er noch einmal hundert Gramm. Er dachte: »Salat ist noch übrig, ein Stück Brot … Ich werde doch nicht das Essen ohne Wodka vergeuden.«
    Ein halbe Stunde später war Sascha unrettbar betrunken und absolut träge. Er verlangte die Rechnung, legte einen größeren Geldschein hin, wartet auf das Retourgeld und verließ wankend das Café.
    Ohne an irgendetwas zu denken, ging er zum Gerichtsgebäude zurück. In einer der Gassen verirrte er sich, begann Passanten nach dem Weg zum Gericht zu fragen. Jemand zuckte mit den Schultern, ging rasch weiter, einige wandten sich ab, taten so, als könnten sie kein Russisch.
    »Man mag uns hier nicht«, murmelte Sascha düster, hatte zwischenzeitlich aber auch den durchaus vernünftigen Gedanken – dass er vielleicht einfach nur nach Wodka roch?
    Am Eingang zum Gericht blieb er stehen, lehnte sich mit der Schulter an den Zaun. Suchte in seinen Jackentaschen nach Zigaretten, einem Feuerzeug. Er hörte Schritte, hob den Blick – er sah den Richter und

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