Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sansibar Oder Der Letzte Grund

Sansibar Oder Der Letzte Grund

Titel: Sansibar Oder Der Letzte Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Andersch
Vom Netzwerk:
bis Bertha eingeschlafen war. Er hatte in der Küche gesessen, und nach einer Weile hatte er die Türe zum Schlafzimmer geöffnet und nachgesehen, ob Bertha schlief; ein Balken Licht aus dem geöffneten Türspalt war auf sie gefallen und zeigte ihm, daß sie schlief; ihr blondes Haar hatte sich aufgelöst und war auf ihre nackte linke Schulter hinabgeglitten, und ein paar Strähnen lagen über ihrem Gesicht, das jetzt, endlich, nicht mehr irr lächelte, sondern einen ernsten Ausdruck angenommen hatte, einen ernsten, verschlossenen Ausdruck, den aufzubrechen und zu verwandeln sich lohnte. Knudsen hätte sich gerne zu ihr gelegt und die Liebe mit ihr gemacht; sie liebten sich immer noch und sie machten oft die Liebe miteinander, lang und intensiv, mit langen, treibenden Gesprächen, in denen er den Irrsinn von ihr fernhielt und alles auf die Lust konzentrierte; aber er schloß die Tür, löschte das Licht in der Küche und ging hinaus. Wie wird es weitergehen mit Bertha und mir, dachte Knudsen, während er zu seinem Boot zurücktrottete, wenn ich von dieser Fahrt zurückkomme? Nur noch diese Fahrt, dann wird es die Partei nicht mehr geben. Nicht mehr für mich. Dann wird es nur noch die Fische geben, das Boot und die See. Ob mir die Liebe dann noch Spaß machen wird? Ist das überhaupt der Grund, warum ich gewartet habe, warum ich nicht ausgefahren bin, fragte sich Knudsen, während er den Mann, der sich Gregor nannte, auf das Boot zukommen sah. Wollte ich den Abschied von der Partei ein wenig hinauszögern, um die Lust am Leben noch eine kurze Spanne Zeit zu behalten?
    Gregor sah ihn auf dem Deck des Bootes sitzen, einen schwarzen, ungenau umrissenen Block von einem Mann vor der etwas helleren Schwärze der Nacht, die Gregor mit harten Windböen zum Kai hinstieß.
    Zwischen dem Leuchtfeuer auf der Lotseninsel und dem Hafen sah man keine Bootslaternen mehr schimmern. Die Boote, die noch nicht zurückgekommen waren, blieben die Nacht über draußen. Auf dem Kai waren nur noch ein paar Fischer zu sehen; sie hatten ihre Ladung gelöscht und würden bald nach Hause gehen; in ein paar Minuten vielleicht schon würde der Hafen verlassen daliegen, verlassen und in tiefem Dunkel — die Bogenlampen würden ausgeschaltet werden. Knudsens Boot wurde von ihrem Licht ohnedies nicht erreicht; es lag schwappend im Dunkeln, auch wenn es von dem diffusen Lichtschleier, der um den genauen Kreis des Scheins der Bogenlampen gewoben war, wie mit Grünspan überzogen wurde. Gregor mied das Lampenlicht nicht; er ging geraden Wegs über den hellen Kreis hinweg auf Knudsens Boot zu. Mit einem Sprung setzte er auf die Planken hinüber.
    Gut, daß du gewartet hast, Genosse, sagte er zu Knudsen.
    Knudsen sog an seiner Pfeife.
    Schit, daß ich gewartet habe, sagte er.
    Wie werden wir es machen? fragte Gregor.
    Paß auf, sagte Knudsen, ich fahre jetzt los. Und wir werden uns nach Mitternacht auf der Lotseninsel treffen.
    Ah, - und wie komme ich da hin?
    Du gehst auf der Chaussee nach Doberan aus der Stadt
    raus, erklärte Knudsen. Hast du eine Karte?
    Ja, sagte Gregor. Aber ich weiß auch so, wo die Chaussee nach Doberan rausgeht.
    Gut. Du gehst auf der Chaussee zwanzig Minuten lang bis
    zur Genossenschaftsmolkerei. Dahinter führt ein Fußweg
    nach rechts ab, auf dem bist du in zehn Minuten am Wasser.
    Da leg ich mein Beiboot hin.
    Wie kriegst du es dahin? fragte Gregor.
    Von draußen, vom Haff aus. Der Junge wird es zu der an- gegebenen Stelle rudern und euch dort erwarten.
    Ist er zuverlässig?
    Keine Ahnung, sagte Knudsen. Ich weiß nicht, was diese Jungens heutzutage denken. Aber ich bin der Schiffer und er ist der Junge. Er hat keine Fragen zu stellen.
    Er hat Fragen zu stellen, dachte Gregor heftig. Und er wird sie eines Tages stellen. Aber laut sagte er: Na schön, und dann?
    Ihr werdet das Beiboot zusammen über das Haff zur Lotseninsel bringen. Kannst du rudern? Gregor nickte.
    Zu zweit geht es schneller, als wenn nur einer rudert, sagte Knudsen. Ihr werdet dreiviertel Stunden brauchen. Das Beiboot laßt ihr auf der Haffseite liegen, - ich hol es mir bei der Rückfahrt ab.
    Du fährst also mit dem großen Boot aus dem Haff raus und erwartest uns auf der anderen Seite der Insel?
    Genau, sagte Knudsen. Ich fahre ganz ordentlich am Leuchtturm vorbei, und dann drehe ich nach links ab und fahre vorsichtig an die Küste ran.
    Wie finde ich den Punkt, wo du wartest?
    Knudsen wandte sich um und sah zum Leuchtfeuer hinaus. Gregor folgte seinem

Weitere Kostenlose Bücher