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Santiago, Santiago

Santiago, Santiago

Titel: Santiago, Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Aebli
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wäre zu verschmerzen. Verena macht mir auch keinen Vorwurf, ich hatte die Abkürzung zwar vorgeschlagen, wir hatten sie indessen gemeinsam beschlossen. Für eine Weile wurmt mich der Mißerfolg jedoch ganz gewaltig. Der einzige, sozusagen körperlich erlebbare Trost: wie zügig wir auf dem Sträßchen nun wieder vorwärts kommen, nach dem mühsamen Gehen in den morastigen Rübenfeldern.
In Itero de la Vega nimmt der Sonntagmorgen seinen Gang. Die sauber gewischten Straßen glänzen im Sonnenschein. Mädchen in rosa Sonntagsröcklein und schwarz glänzenden Spangenschuhen spielen auf der Straße. Auch die Buben sind sonntäglich gekleidet und stehen, wie die Männer, diskutierend an einer Straßenecke. Wir fragen nach der Bar. Es gibt sogar deren zwei, und der Mann, der uns diese erfreuliche Auskunft gibt, begleitet uns auch gerade zur Gaststätte seiner Wahl. Bei einem großen Café con leche, dem spanischen Milchkaffee, finden wir unser seelisches Gleichgewicht wieder. Aber es ist nun schon fast Mittag, und wir haben erst die halbe Tagesreise hinter uns.
Also weiter, aus dem Dorf hinaus, Richtung Frómista. Vorerst geht es an den krautigen Feldern vorbei, die wir schon kennengelernt haben. Später kommen wir wieder in die unbewässerte Meseta und wandern zwischen Stoppelfeldern. Schließlich wechseln wir auf einem niedrigen Sattel in das Tal hinüber, das wir vom letzten Tafelberg aus gesehen haben. Das Ab und Auf in den eingeschnittenen Tälern ist nun zu Ende. Wir wandern in einer ebenen Landschaft, die sich kilometerweit vor uns hinzieht.
Man soll da nicht fragen, wie weit es noch sei, darf im Geiste nicht schon am Ziele hängen, um das Hier und Jetzt rasch hinter sich zu bringen. Besser ist es, dieses Hier und Jetzt zu erfüllen, die Augen zum Beispiel offenzuhalten oder, wenn es gar nichts mehr zu sehen gibt, einem Gedanken nachzugehen.

Es ist nicht heiß, bei aller Sonnenstrahlung weht weiterhin ein kühlender Wind. Das Natursträßchen ist gut, es verläuft ohne unnötige Bogen, aber auch nicht in langweiliger Gradheit der nächsten Siedlung zu. Am Wege wachsen alle Arten von Disteln. Unter diesen gefallen mir die gelb leuchtenden besonders gut. Unsere treuesten Begleiter sind jedoch die Wegwarten. Ist es das Blau ihrer Sterne, das uns so tröstlich erscheint, oder ist es ihr schöner Name? Die Blume, die am Wege wartet? Oder die den Weg wartet? Der Name der Blume muß an ihrer Wirkung beteiligt sein, denn die Pflanze heißt auch Zichorie, und unter diesem Namen ist alle Wirkung dahin, sie schmeckt nur noch nach Kaffee-Ersatz.
Wir nähern uns jetzt Boadilla del Camino. Der Name des Ortes zeigt, daß der Jakobsweg zunehmend ins Bewußtsein des Landes tritt. Der Wind kommt noch einmal stärker auf. Vor dem Städtchen verläuft die Straße in einem Einschnitt, und der Wind bläst hohe Staubwolken hinter uns her: auch das gehört zur Meseta. So sind wir froh, daß wir zwischen den Häusern Schutz finden.
Boadilla ist ein Ort wie viele andere in der Meseta, umgeben von einem Kranz von Taubenhäusern, mit einem ummauerten und gedeckten Dorfbrunnen und einem Waschhaus, das von den Frauen noch benützt wird. Aber es leben hier kaum mehr 300 Menschen. Nur die schöne, spätgotische Säule auf dem Platz vor der Kirche zeigt an, daß Boadilla einmal ein bedeutender Gerichtsort gewesen ist.
Dann ist es noch eine gute Stunde bis Frómista. Wir stoßen jetzt auf einen breiten Kanal, der das Wasser von den baskischen Bergen am Rande des Golfes von Biscaya herunter in die kastilische Meseta führt und damit all die kleinen Kanäle speist, die wir in dem weiten Tal überquert haben. Auf dem Damm dieses Kanals kommen wir bis unmittelbar an Frómista heran, dann biegt er nach Süden ab, und wir treten in die Stadt ein.
Frómista ist ein aktives, sauberes Städtchen. Wir finden Unterkunft in einem ganz kleinen Familienhotel, unmittelbar neben der berühmten romanischen Kirche, derentwegen Frómista in jedem Kunstführer aufgeführt wird.
     

San Martín in Frómista: Romanik perfekt
 
San Martín, so heißt die romanische Kirche, war ähnlich wie Conques dem Zerfall nahe, als sie im letzten Jahrhundert wiederentdeckt und sehr schön, fast zu schön, restauriert wurde. Es ist eine Konstruktion von klassischer Einfachheit und durchsichtiger Harmonie. Man hat immer wieder gesagt, daß romanische Bauten massiv bis massig seien. Das stimmt hier nicht. Obwohl die beiden Türme an der Westseite rund und fast bis oben fensterlos

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