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Santiago, Santiago

Santiago, Santiago

Titel: Santiago, Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Aebli
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sind und das Querhaus so lang ist, wie die drei Schiffe des Langhauses breit sind, und der Vierungsturm das Dach der Kirche wenig überragt, wirkt das Gebäude leicht. Es ist die Leichtigkeit der vollkommenen Proportionen.
Der Eindruck des klassischen Maßes, den man beim Betrachten der Kirche von außen gewinnt, wiederholt sich, wenn man ihr Inneres auf sich wirken läßt. Nur schade, daß sie eher als wertvolles Kunstobjekt gehütet, denn von einer Gemeinde lebendig gebraucht wird. Aber vielleicht muß man bei kleinen Kirchen die Ströme der kunstbeflissenen Touristen von den Gottesdiensten einer Gemeinde trennen, damit sie sich nicht gegenseitig stören. Frómista ist eines der freundlichsten und interessantesten Städtchen, das wir in Spanien bisher kennengelernt haben.
     

Recht hat er, der Bürgermeister
46. Tag: Von Frómista nach Carrión de los Condes
 
Heute haben wir es gut. Der nächste Ort mit Übernachtungsgelegenheit ist Carrión de los Condes, und bis dorthin sind es nur knapp 20 Kilometer. Wir gestatten uns daher den Luxus eines Frühstücks im Hotel, und mit ein wenig Überredungskunst haben wir es fertiggebracht, daß uns dieses schon um 8 Uhr bereitet wird. Welten des Wohlbehagens trennen dieses Morgenessen vom gestrigen nüchternen Aufbruch.
Nach einer halben Stunde kommen wir in ein kleines Städtchen, es heißt Población de Campos, in dem die gelben Wegmarken schlecht zu finden sind. Wir erkundigen uns bei einem älteren Mann nach dem Weg und versuchen ihn über den Ort auszufragen. Denn wir stehen vor einem großen alten Haus mit interessantem Treppenaufgang. Heute ist es in Wohnungen aufgeteilt, aber uns scheint, daß es zu einem anderen Zwecke erbaut worden ist. Unser Gewährsmann ist jedoch kein Historiker. Da kommt ein zweiter älterer Herr dazu, der auch ein wenig mitreden möchte. Er weiß, was es mit dem alten Haus für eine Bewandtnis hat: es ist ein ehemaliges Kornhaus, »una granera«. Das leuchtet uns ein, denn in unserer Heimatstadt gibt es auch ein Kornhaus aus dem 18. Jahrhundert, und man hat hier wie dort Kornvorräte für Notzeiten gestapelt.
Wir fragen noch einmal nach dem Verlauf des Jakobsweges im Städtchen. Der neu hinzugekommene Herr antwortet mit der Gegenfrage, ob wir seinen wirklichen Verlauf sehen möchten. Nichts lieber als das, antworten wir, und unser Cicerone ist seinerseits erfreut über unser Interesse. Er führt uns noch einmal an den Eingang des Ortes zurück und geht mit uns dann durch eine unscheinbare Gasse am nördlichen Dorfrand. Sie ist ohne Straßenbelag, voller grober Steine. Gebüsch wächst vor den Häusern und Gartenmauern, und über diese strecken wild wachsende Sträucher ihre Zweige. Die Häuser selbst sind nur noch teilweise bewohnt, einige sind mit Stroh gedeckt. Tür und Wohnräume liegen zu ebener Erde. Die Gasse führt über den Kirchhügel und hinter der Kirche durch. Sie zeigt offensichtlich ein Bild, das sich über Jahrhunderte kaum verändert hat, außer der Tatsache natürlich, daß sie heruntergekommen ist. Denn das Dorf hat sich in der Richtung der neuen Straße verschoben, und die Kirche, die in seiner Mitte stand, steht jetzt an seinem Rande. Die alte Hauptgasse mit dem Pilgerweg ist zur Gasse der armen Leute geworden.
Da seien die Pilger durchgegangen und nicht dort, wo dieser »Herr aus der Stadt«, der da einmal aufgetaucht und seinem Wagen entstiegen sei, rasch seine Pfeile habe hinmalen lassen. Die Bemerkung bringt bei mir eine demokratische Saite zum Schwingen, und ich sage, daß auch ich meine, ein historischer Weg müßte zusammen mit den örtlichen Sachkennern rekonstruiert werden. Dem stimmt wiederum unser Führer lebhaft zu, und wir verbinden uns im Geiste als Anhänger einer lokalen Verankerung der Denkmalpflege. Wer ist unser neuer Freund? Niemand anders als der Alcalde, der Bürgermeister des Ortes. Er hat seinerseits Kontakt mit Erforschern des Jakobsweges, und wir verstehen, daß er sich durch den »Herrn aus der Stadt« übergangen fühlte.
Weil wir uns so gut unterhalten, benütze ich die Gelegenheit, zu fragen, wie man denn die Tauben aus den Palomares heraushole. Den Sinn dieser Frage versteht nun unser Freund nicht, denn die Antwort sei, so sagt er, daß man sie eben einfach hole, nämlich wenn sie noch zu jung seien, um wegzufliegen. Älter seien sie sowieso zu zäh zum Essen. Auf diesen einfachen Gedanken wäre ich wieder nicht gekommen. Ich sage entschuldigend, ich hätte eben erst vor einem Monat in

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