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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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an einen der riesigen Kronleuchter zu hängen. »Zeitreisen - was? Unsereins hat ja schon viel erlebt, aber das ist selbst für mich Neuland.«
    »Eins verstehe ich nicht«, sagte ich. »Warum haben Sie erwartet, dass etwas über unseren Besuch in diesen Annalen steht, Mr George? Ich meine, wenn da etwas stünde, hätten Sie es doch vorher schon gesehen und gewusst, dass wir an diesem Tag dorthin reisen und was wir dort erleben würden. Oder ist das wie in diesem Film mit Ashton Kutcher? Jedes Mal, wenn einer von uns aus der Vergangenheit zurückkehrt, hat sich auch die ganze Zukunft verändert?«
    »Das ist eine interessante und sehr philosophische Frage, Gwendolyn«, sagte Mr Whitman, als befänden wir uns in seinem Unterricht. »Ich kenne zwar den Film nicht, von dem du sprichst, aber tatsächlich kann den Gesetzen der Logik zufolge schon die winzigste Veränderung in der Vergangenheit die Zukunft extrem beeinflussen. Da gibt es eine Kurzgeschichte von Ray Bradbury, in der . . .«
    »Vielleicht verschieben wir die philosophischen Diskussionen auf einen anderen Zeitpunkt«, fiel ihm Falk ins Wort. »Ich würde jetzt gern die Einzelheiten über den Hinterhalt in Lady Tilneys Haus hören und wie es euch gelingen konnte zu fliehen.«
    Ich sah zu Gideon hinüber. Sollte er doch bitte seine pistolenfreie Version zum Besten geben. Ich nahm mir noch einen Keks.
    »Wir hatten Glück«, sagte Gideon und er sprach dabei genauso ruhig wie vorher. »Ich habe gleich gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Lady Tilney schien so gar nicht überrascht, uns zu sehen. Der Tisch war gedeckt, und als Paul und Lucy auftauchten und sich der Butler in der Tür aufbaute, sind Gwendolyn und ich durchs Nachbarzimmer und die Dienstbotentreppe abgehauen. Die Droschke war verschwunden, also sind wir gelaufen.« Das Lügen schien ihm nicht besonders schwerzufallen. Keine verräterische Röte, kein Liderflattern, kein angestrengtes Nach-oben-Schauen, nicht der Hauch einer Unsicherheit in der Stimme. Trotzdem fand ich, dass seiner Version der Geschichte das gewisse Etwas fehlte, das sie glaubwürdig gemacht hätte.
    »Merkwürdig«, sagte Dr. White. »Wenn der Hinterhalt richtig geplant gewesen wäre, wären sie bewaffnet gewesen und hätten dafür gesorgt, dass ihr nicht fliehen könntet.«
    »Mein Kopf fängt an, sich zu drehen«, sagte Xemerius vom Sofa. »Ich hasse diese verdrehten Verbformen, die Zukunft und Vergangenheit mit einem Konjunktiv mischen.«
    Ich sah erwartungsvoll zu Gideon hinüber. Jetzt musste er sich aber was einfallen lassen, wenn er bei seiner pistolenfreien Version bleiben wollte.
    »Ich glaube, wir haben sie einfach überrumpelt«, sagte Gideon.
    »Hm«, machte Falk. Auch die Mienen der anderen sahen nicht wirklich überzeugt aus. Kein Wunder! Gideon hatte es verpatzt! Wenn man schon log, dann musste man mit verwirrenden Details aufwarten, die keine Menschenseele interessierten.
    »Wir waren wirklich schnell«, sagte ich hastig. »Die Dienstbotentreppe war offenbar frisch gebohnert, ich wäre beinahe ausgerutscht, eigentlich bin ich die Treppe mehr hinuntergerutscht als gelaufen. Wenn ich mich nicht am Geländer festgehalten hätte, läge ich jetzt mit gebrochenem Genick im Jahr 1912. Was passiert eigentlich, wenn man bei einem Zeitsprung stirbt? Kommt der tote Körper von allein wieder zurückgesprungen? Na ja, auf jeden Fall hatten wir Glück, dass die Tür unten aufstand, weil gerade ein Dienstmädchen mit einem Einkaufskorb hereinkam. So eine dicke Blonde. Ich dachte schon, Gideon würde sie auch noch umrennen, es waren Eier im Korb, das hätte eine fürchterliche Schweinerei gegeben. Aber wir rannten an ihr vorbei und so schnell wir konnten die Straße entlang. Ich habe eine Blase am Zeh.«
    Gideon hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und seine Arme verschränkt. Ich konnte seinen Blick nicht deuten, aber anerkennend oder gar dankbar sah er nicht aus.
    »Nächstes Mal ziehe ich Turnschuhe an«, sagte ich in das allgemeine Schweigen hinein. Dann nahm ich mir noch einen Keks. Außer mir wollte die offenbar keiner essen.
    »Ich habe eine Theorie«, sagte Mr Whitman langsam, wobei er mit dem Siegelring an seiner rechten Hand spielte. »Und je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir, dass ich damit richtig liege. Wenn . . .«
    »Ich komme mir langsam wirklich dämlich vor, weil ich es schon so oft gesagt habe. Aber
sie
sollte bei diesem Gespräch nicht dabei sein«, sagte Gideon.
    Ich spürte, wie aus

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