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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Schlafen zu beobachten. Dieses Geschnarche und Gesabbere, von den anderen Sachen will ich lieber gar nicht erst reden . . .«
    »Außerdem sollst du nicht dazwischenquatschen, wenn ich in der Schule bin oder mit jemandem rede - und bitte: Wenn du schon singen musst, dann wenn ich nicht dabei bin!«
    »Ich kann auch richtig gut eine Trompete nachmachen«, sagte der Wasserspeier. »Oder ein Posthorn. Hast du einen Hund?«
    »Nein!« Ich atmete tief durch. Für diesen Kerl würde ich Nerven wie Drahtseile brauchen.
    »Kannst du dir nicht einen anschaffen? Eine Katze ginge zur Not auch, aber die sind immer so arrogant und lassen sich nicht so gut ärgern. Manche Vögel können mich auch sehen. Hast du einen Vogel?«
    »Meine Großmutter kann Haustiere nicht ausstehen«, sagte ich und verkniff es mir hinzuzufügen, dass sie vermutlich auch etwas gegen unsichtbare Haustiere hatte. »Okay, fangen wir jetzt noch mal ganz von vorne an: Mein Name ist Gwendolyn Shepherd. Nett, dich kennenzulernen.«
    »Xemerius«, sagte der Wasserspeier und strahlte über die ganze Fratze. »Sehr erfreut.« Er kletterte auf das Waschbecken und sah mir tief in die Augen. »Wirklich! Sehr, sehr erfreut! Kaufst du mir eine Katze?«
    »Nein. Und jetzt raus hier, ich muss nämlich wirklich mal!«
    »Urgs.« Xemerius stolperte hastig durch die Tür, ohne sie vorher zu öffnen, und ich hörte ihn draußen im Gang wieder
Friends will be friends
anstimmen.
    Ich blieb viel länger in der Toilette, als nötig gewesen wäre. Ich wusch mir gründlich die Hände und schaufelte mir reichlich kaltes Wasser ins Gesicht, in der Hoffnung, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Aber damit brachte ich das wirbelnde Gedankenkarussell nicht zum Stehen. Meine Haare sahen im Spiegel aus, als hätten Krähen darin genistet, und ich versuchte, sie mit den Fingern wieder glatt zu kämmen und mich selbst ein wenig aufzumuntern. So, wie meine Freundin Leslie es getan hätte, wenn sie hier gewesen wäre.
    »Nur noch ein paar Stunden, dann hast du es geschafft, Gwendolyn. Hey und dafür, dass du so furchtbar müde und hungrig bist, siehst du gar nicht mal so schlecht aus.«
    Mein Spiegelgesicht schaute mich aus großen, dunkel umschatteten Augen vorwurfsvoll an.
    »Gut, das war gelogen«, gab ich zu. »Du siehst furchtbar aus. Aber alles in allem hast du schon schlimmer ausgesehen. Zum Beispiel damals, als du die Windpocken hattest. Also, Kopf hoch! Du schaffst das.«
    Xemerius hatte sich draußen im Gang wie eine Fledermaus an einen Kronleuchter gehängt. »Bisschen gruselig hier«, meinte er. »Gerade kam ein einarmiger Tempelritter vorbei, kennst du den?«
    »Nein«, sagte ich. »Gott sei Dank nicht. Komm, wir müssen hier lang.«
    »Erklärst du mir das mit den Zeitreisen?«
    »Das verstehe ich selber nicht.«
    »Kaufst du mir eine Katze?«
    »Nein.«
    »Ich weiß aber, wo es welche umsonst gibt. Oh, hey, in der Ritterrüstung da steht ein
Mensch.«
    Ich warf der Ritterrüstung einen verstohlenen Blick zu. Tatsächlich hatte ich das Gefühl, hinter dem geschlossenen Visier ein Augenpaar glitzern zu sehen. Es war dieselbe Ritterstatue, der ich gestern noch übermütig auf die Schulter geklopft hatte, natürlich in dem Glauben, sie sei nur Zierrat.
    Gestern schien irgendwie Jahre her zu sein.
    Vor der Tür des Drachensaales traf ich auf Mrs Jenkins, die Sekretärin. Sie trug ein Tablett vor sich her und war dankbar, dass ich ihr die Tür aufhalten konnte.
    »Erst mal nur Tee und Kekse, Schätzchen«, sagte sie mit einem entschuldigenden Lächeln. »Mrs Mallory ist längst nach Hause gegangen und ich muss in der Küche nachschauen, was ich euch hungrigen Kindern überhaupt noch machen kann.«
    Ich nickte wohlerzogen, aber ich war sicher, dass man meinen Magen »Bestell doch einfach was beim Chinesen« knurren hören hätte können, wenn man sich nur etwas anstrengte.
    Im Saal wartete man bereits auf uns: Gideons Onkel Falk, der mich mit seinen bernsteinfarbenen Augen und der grauen Haarmähne immer an einen Wolf erinnerte, der steife, grimmig dreinschauende Dr. White in seinem ewig schwarzen Anzug und - zu meiner Überraschung - auch mein Lehrer für Englisch und Geschichte, Mr Whitman, genannt das Eichhörnchen. Sofort fühlte ich mich doppelt unwohl und zupfte unbehaglich an der hellblauen Schleife meines Kleides. Heute Morgen noch hatte Mr Whitman mich und meine Freundin Leslie beim Schwänzen erwischt und uns eine Strafpredigt gehalten. Außerdem hatte er Leslies

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