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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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beschlossen hatte, mich so lange zu triezen, bis mir das Lachen vergehen würde.
    Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis es so weit war. Schon eine Viertelstunde später kam ich mir wie der allerletzte Oberblödmann und Versager vor. Und das, obwohl Xemerius unter der Decke sein Bestes gab, um mich aufzumuntern. »Komm schon, Gwendolyn, zeig den beiden Sadisten, dass du's draufhast!«
    Nichts hätte ich lieber getan. Aber leider hatte ich es nicht drauf.
    »Tour de Main, linke Hand, dummes Ding, aber rechts herum, Cornwallis kapitulierte, und Lord North trat im März 1782 zurück, was dazu führte, dass ... Rechts herum - nein rechts! Lieber Himmel! Charlotte, bitte, zeig es ihr noch einmal!«
    Und Charlotte zeigte es mir. Das musste man ihr lassen, sie tanzte ganz wunderbar, bei ihr sah es leicht wie ein Kinderspiel aus.
    Und das war es ja im Grunde genommen auch. Man ging hin, man ging her, man ging rundherum und lächelte dabei unablässig, ohne die Zähne zu zeigen. Die Musik dazu kam aus in der Wandtäfelung verborgenen Lautsprechern und ich muss sagen, es war nicht gerade die Art Musik, bei der es einen sofort in den Beinen juckte.
    Vielleicht hätte ich mir die Schrittfolgen besser merken können, wenn Plusterlippe nicht zusätzlich noch unablässig auf mich eingequatscht hätte. »Seit 1779 also auch Krieg mit Spanien ... nun die Mouline, bitte, den vierten Mann müssen wir uns einfach vorstellen, und Reverenz, jawohl, mit etwas mehr Anmut bitte. Noch mal von vorne, Lächeln nicht vergessen, Kopf gerade, Kinn nach oben, gerade eben ist Nordamerika für Großbritannien verloren gegangen, liebe Güte, nein, nach rechts, Arm auf Brusthöhe und Durchstrecken, das ist ein herber Schlag, und man ist nicht gut auf die Franzosen zu sprechen, es gilt als unpatriotisch . . . Nicht auf die Füße gucken, die kann man in dieser Kleidung ohnehin nicht sehen.«
    Charlotte beschränkte sich auf plötzliche seltsame Fragen (»Wer war 1782 König von Burundi?«) und permanentes Kopfschütteln, das mich zusätzlich verunsicherte.
    Nach einer Stunde wurde es Xemerius zu langweilig. Er flatterte vom Kronleuchter, winkte mir zu und verschwand durch die Wand. Ich hätte ihm gern den Auftrag erteilt, nach Gideon Ausschau zu halten, aber das war gar nicht nötig, denn nach einer weiteren Viertelstunde Menuett-Folter betrat Gideon zusammen mit Mr George das Alte Refektorium. Sie bekamen gerade noch mit, wie ich, Charlotte und Plusterlippe zusammen mit einem nicht anwesenden vierten Mann eine Figur tanzten, die Plusterlippe »le chain« nannte und bei der ich dem unsichtbaren Tanzpartner die Hand geben musste. Leider gab ich ihm die falsche Hand.
    »Rechte Hand, rechte Schulter, linke Hand, linke Schulter«, rief Plusterlippe zornig. »Ist das denn so schwer? Sieh doch, wie Charlotte es macht, so ist es perfekt!«
    Die perfekte Charlotte tanzte auch noch weiter, als sie längst gemerkt hatte, dass wir Besuch bekommen hatten, während ich peinlich berührt stehen blieb und am liebsten im Boden versunken wäre.
    »Oh«, sagte Charlotte schließlich, wobei sie so tat, als würde sie Mr George und Gideon jetzt erst sehen. Sie versank in einer anmutigen Reverenz, was, wie ich jetzt wusste, eine Art Knicks war, den man beim Menuett-Tanzen am Anfang und am Ende machte und ab und an auch zwischendrin. Es hätte total bescheuert aussehen müssen, zumal sie ja ihre Schuluniform trug, aber stattdessen wirkte es irgendwie . . . süß.
    Ich fühlte mich gleich doppelt schlecht, zum einem wegen des rot-weiß gestreiften Reifrock-Ungetüms zur Schuluniformbluse (ich sah aus wie einer dieser Kunststoffkegel, die man im Straßenverkehr zur Sicherung einer Baustelle auf die Fahrbahn stellt), zum anderen, weil Plusterlippe keine Zeit verlor, sich über mich zu beklagen.
    »... weiß nicht, wo rechts und links ist... ein Ausbund an Plumpheit... schwer von Begriff... unmögliches Unterfangen . . . dummes Ding . . . aus einer Ente kann man keinen Schwan machen ... sie kann keinesfalls auf dieser Soiree bestehen, ohne Aufsehen zu erregen ... sehen Sie sie sich doch nur an!«
    Das tat Mr George, und Gideon ebenfalls, und ich wurde feuerrot. Gleichzeitig spürte ich Wut in mir aufsteigen. Was genug war, war genug! Hastig knöpfte ich mir den Rock samt des gepolsterten Drahtgestells ab, das Plusterlippe mir um die Hüften geschnallt hatte, und dabei fauchte ich: »Ich weiß nicht, warum ich im 18. Jahrhundert über Politik reden muss. Das mache ich doch

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