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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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als Leslie ein zwanzig Zentimeter langes Messer aus ihrer Schultasche gezogen hatte. »Damit kannst du dich besser zur Wehr setzen, wenn dir noch mal ein fieser Kerl in der Vergangenheit ans Leder möchte.«
    »Das sieht aus wie ein ...«
    ».. .japanisches Kochmesser. Schneidet durch Gemüse und rohen Fisch wie Butter. «
    Mir war ein Schauder den Rücken hinuntergelaufen.
    »Es ist nur für den Notfall«, hatte Leslie hinzugefügt. »Nur, damit du dich ein bisschen sicherer fühlen kannst. Es war die beste Waffe, die ich so auf die Schnelle ohne Waffenschein kriegen konnte.«
    Das Messer steckte mittlerweile in einem zur Messerscheide umfunktionierten Brillenetui von Leslies Mum in meiner Schultasche, zusammen mit einer Rolle Tape, die mir, wenn man Leslie Glauben schenken wollte, noch gute Dienste leisten würde.
    Der Fahrer fuhr schwungvoll in eine Kurve und Xemerius, der sich nicht rechtzeitig festgehalten hatte, schlitterte über das glatte Lederpolster und prallte gegen Charlotte. Hastig rappelte er sich wieder auf.
    »Steif wie eine Kirchensäule«, kommentierte er und schüttelte seine Flügel. Er musterte sie von der Seite. »Haben wir die jetzt den ganzen Tag an der Backe?«
    »Ja - leider«, sagte ich.
    »Ja leider was?«, fragte Charlotte.
    »Leider habe ich schon wieder kein Mittagessen gehabt«, sagte ich.
    »Selber schuld«, erwiderte Charlotte. »Aber ehrlich gesagt schadet es dir nicht, ein paar Pfund abzuspecken. Schließlich musst du ja in die Kleider passen, die Madame Rossini für mich angefertigt hat.« Sie presste kurz ihre Lippen aufeinander und ich spürte so etwas wie Mitleid in mir aufkeimen. Wahrscheinlich hatte sie sich ehrlich darauf gefreut, die Kostüme von Madame Rossini tragen zu können, und dann war ich gekommen und hatte alles kaputt gemacht. Natürlich nicht mit Absicht, aber trotzdem.
    »Ich habe das Kleid, das ich für meinen Besuch beim Grafen von Saint Germain anziehen musste, zu Hause im Schrank«, sagte ich. »Wenn du willst, gebe ich es dir. Du könntest es bei Cynthias nächster Kostümparty anziehen - ich wette, alle würden bei deinem Anblick umfallen!«
    »Das Kleid gehört dir nicht«, sagte Charlotte schroff. »Es ist Eigentum der Wächter, du kannst nicht darüber bestimmen. Bei dir zu Hause im Kleiderschrank hat es nichts verloren.« Sie sah wieder aus dem Fenster.
    »Mecker, mecker, mecker«, sagte Xemerius.
    Charlotte machte es einem wirklich nicht leicht, sie zu mögen, das hatte sie noch nie gekonnt. Trotzdem fand ich diese frostige Atmosphäre bedrückend. Ich startete einen erneuten Versuch. »Charlotte . . .?«
    »Wir sind gleich da«, unterbrach sie mich. »Ich bin so gespannt, ob wir irgendwen vom Inneren Kreis zu Gesicht bekommen.« Ihre mürrische Miene hellte sich urplötzlich auf. »Also, ich meine, außer denen, die wir schon kennen. Das ist ungeheuer aufregend. In den nächsten Tagen wird es in Temple nur so von lebenden Legenden wimmeln. Berühmte Politiker, Nobelpreisträger und hochdekorierte Wissenschaftler werden sich in diesen heiligen Hallen aufhalten, ohne dass die Welt etwas davon mitbekommt. Koppe Jötland wird hier sein, oh, und Jonathan Reeves-Haviland ... - ich würde ihm zu gern mal die Hand schütteln.« Für ihre Verhältnisse klang Charlotte richtig begeistert.
    Ich hingegen hatte keine Ahnung, von wem sie da sprach. Ich sah Xemerius fragend an, aber er zuckte nur mit den Schultern. »Von den Pappnasen habe ich noch nie etwas gehört, sorry«, sagte er.
    »Man kann ja auch nicht alles wissen«, erwiderte ich mit einem verständnisvollen Lächeln.
    Charlotte seufzte. »Nein, aber es schadet nichts, ab und an eine seriöse Tageszeitung zu lesen oder ein Nachrichtenmagazin anzuschauen, um sich über die aktuelle Weltpolitik zu informieren. Klar, dazu müsste man auch mal das Gehirn einschalten . . . oder überhaupt eins haben.«
    Wie gesagt, sie machte es einem nicht leicht.
    Die Limousine hatte angehalten und Mr Marley öffnete die Wagentür. Auf Charlottes Seite, wie mir auffiel.
    »Mr Giordano erwartet Sie im Alten Refektorium«, sagte Mr Marley und ich hatte das Gefühl, dass er nur mit Mühe das Wort »Sir« unterdrücken konnte. »Ich soll Sie hingeleiten.«
    »Ich kenne den Weg«, sagte Charlotte und drehte sich zu mir um. »Komm!«
    »Irgendwas hast du an dir, dass alle Leute dich rumkommandieren wollen«, sagte Xemerius. »Soll ich mitgehen?«
    »Ja, bitte«, sagte ich, während wir in die engen Gassen von Temple eintauchten.

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