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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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heute auch nicht - ich habe nicht den geringsten Schimmer davon! Ja und? Wenn jemand mich nach dem Marquess von Dingens fragt, sage ich einfach, dass mich Politik nicht die Bohne interessiert. Und falls jemand unbedingt ein Menuett mit mir tanzen will - was ich für ausgeschlossen halte, da ich ja im 18. Jahrhundert gar keinen kenne - sage ich, nein danke, sehr freundlich, aber mein Fuß ist verstaucht. Das kann ich auch hervorbringen, ohne meine Zähne zu zeigen.«
    »Sehen Sie nun, was ich meine?«, fragte Plusterlippe und rang wieder seine Hände. Schien eine Angewohnheit zu sein. »Nicht mal der Hauch eines guten Willens - dazu erschreckende Unkenntnis und Talentlosigkeit auf allen Gebieten. Und dann bricht sie wie eine Fünfjährige in Gelächter aus, nur weil man den Namen Lord Sandwich erwähnt.«
    Oh ja, Lord Sandwich. Nicht zu fassen, dass der wirklich so hieß. Der arme Kerl.
    »Sie wird sicher . . .«, begann Mr George, aber Plusterlippe schnitt ihm das Wort ab.
    »Im Gegensatz zu Charlotte besitzt das Mädchen überhaupt kein . . .
esplieglerie!«
    Ach! Was immer das auch war, wenn Charlotte es hatte, wollte ich es gar nicht haben.
    Charlotte hatte die Musik ausgestellt und sich an den Flügel gesetzt, von wo aus sie Gideon verschwörerisch zulächelte. Er lächelte zurück.
    Mich dagegen hatte er genau eines Blickes gewürdigt, der es allerdings in sich gehabt hatte. Und zwar nicht im positiven Sinn. Vermutlich war es ihm peinlich, mit einer Versagerin wie mir in einem Raum zu sein, noch dazu, weil ihm nur zu bewusst zu sein schien, wie großartig er selbst aussah, in seinen abgewetzten Jeans und einem engen schwarzen T-Shirt. Aus irgendeinem Grund wurde ich noch wütender. Beinahe hätte ich mit den Zähnen geknirscht.
    Mr George sah bekümmert von mir zu Plusterlippe und wieder zurück und sagte, die Stirn in sorgenvolle Falten gelegt: »Sie bekommen das schon hin, Giordano. Mit Charlotte haben Sie ja eine fachkundige Assistentin. Außerdem haben wir noch ein paar Tage Zeit.«
    »Und wenn es Wochen wären! Die Zeit reicht niemals, um sie auf einen großen Ball vorzubereiten«, sagte Plusterlippe. »Eine Soiree, ja vielleicht, im kleinen Kreis und mit viel Glück, aber ein Ball, möglicherweise sogar in Anwesenheit des Herzogpaars - ganz ausgeschlossen. Ich kann nur annehmen, dass der Graf sich hier einen Scherz erlaubt.«
    Mr Georges Blick wurde kühl. »Ganz sicher nicht«, sagte er. »Und ganz sicher liegt es nicht bei Ihnen, die Entscheidungen des Grafen anzuzweifeln. Gwendolyn wird das schon schaffen, nicht wahr, Gwendolyn?«
    Ich sagte nichts. Mein Selbstwertgefühl war in den vergangenen zwei Stunden zu heftig malträtiert worden. Wenn es nur darum ging, nicht unangenehm aufzufallen - das kriegte ich schon hin. Ich würde mich einfach in eine Ecke stellen und dezent mit dem Fächer herumwedeln. Oder lieber nicht wedeln, das konnte ja wer weiß was bedeuten. Einfach nur stehen und ohne Zähne lächeln. Natürlich durfte mich niemand dabei stören oder nach dem Marquess von Stafford fragen oder gar zum Tanzen auffordern.
    Charlotte begann, leise auf dem Klavier herumzuklimpern. Sie spielte eine ganz herzige kleine Melodie im Stil der Musik, auf die wir zuvor getanzt hatten. Gideon stellte sich neben sie und sie sah zu ihm auf und sagte etwas, das ich nicht verstehen konnte, da Plusterlippe so laut seufzte.
    »Wir haben versucht, ihr die Grundschritte des Menuetts konventionell beizubringen, aber ich fürchte, wir müssen zu anderen Methoden greifen!«
    Ich konnte nicht anders, ich musste Charlotte für ihre Fähigkeit bewundern, gleichzeitig zu reden, Gideon in die Augen zu schauen, ihre entzückenden Grübchen zu zeigen
und
dabei Klavier zu spielen.
    Plusterlippe jammerte immer noch. ». . . vielleicht helfen Schaubilder oder Kreidezeichen auf dem Boden, dazu sollten wir. . .«
    »Sie werden den Unterricht gleich morgen fortsetzen können«, unterbrach ihn Mr George. »Gwendolyn muss jetzt zum Elapsieren. Kommst du, Gwendolyn?«
    Ich nickte erleichtert und griff nach meiner Schultasche und dem Mantel. Endlich erlöst. Das Frustgefühl wich sogleich einer gespannten Erwartung. Wenn alles gut ging, würde ich heute zum Elapsieren an ein Datum
nach
meinem Treffen mit Grandpa geschickt werden und im Geheimversteck den Schlüssel und die Parole vorfinden.
    »Lass mich das tragen.« Mr George nahm mir die Schultasche ab und bedachte mich mit einem aufmunternden Lächeln. »Noch vier Stunden, dann kannst

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