Saphirblau
ablegt, wenn er schlafen geht«, sagte er. »Und ich werde dir berichten, falls er sich aus dem Haus schleicht, um heimlich in einer Heavy-Metal-Band den Bassisten zu mimen.«
Eigentlich mussten meine Geschwister unter der Woche immer zeitig ins Bett, aber heute machte meine Mutter eine Ausnahme. Wir machten es uns satt und müde gelacht vor dem Kamin gemütlich, Caroline kuschelte sich in Mums Arme, Nick kuschelte sich an mich und Großtante Maddy setzte sich in Lady Aristas Ohrensessel, pustete sich eine blonde Locke aus dem Gesicht und betrachtete uns zufrieden.
»Kannst du was von früher erzählen, Tante Maddy?«, bat Caroline. »Als du ein kleines Mädchen warst und deine schreckliche Cousine Hazel auf dem Land besuchen musstest?«
»Ach, das habt ihr doch schon so oft gehört«, sagte Tante Maddy und legte ihre rosa Filzpantoffeln auf das Fußbänkchen. Aber sie ließ sich nicht lange bitten. Alle ihre Geschichten über ihre schreckliche Cousine begannen mit den Worten: »Hazel war so ungefähr das eingebildetste Mädchen, das man sich vorstellen kann«, dann sagten wir im Chor: »Genau wie Charlotte!«, und Großtante Maddy schüttelte den Kopf und sagte: »Nein, Hazel war noch viel, viel schlimmer. Sie hob Katzen an ihren Schwänzen in die Höhe und schleuderte sie über ihrem Kopf im Kreis herum.«
Während ich, das Kinn auf Nicks Haar gelegt, der Geschichte lauschte, in deren Verlauf Tante Maddy als Zehnjährige alle gequälten Katzen Gloucestershires rächte und dafür sorgte, dass Cousine Hazel ein Bad in der Jauchegrube nahm, wanderten meine Gedanken zu Gideon. Wo mochte er gerade sein? Was tat er? Wer war bei ihm? Und dachte er vielleicht auch gerade an mich - mit diesem seltsamen, warmen Gefühl in der Magengegend? Vermutlich nicht.
Ich unterdrückte nur mit Mühe einen tiefen Seufzer, als ich an unseren Abschied vor Madame Rossinis Atelier dachte. Gideon hatte mich nicht mal mehr angesehen, obwohl wir uns ein paar Minuten vorher noch geküsst hatten.
Schon wieder. Dabei hatte ich Leslie gestern Abend am Telefon noch geschworen, dass das niemals wieder vorkommen würde. »Nicht, solange wir nicht eindeutig geklärt haben, was zwischen uns läuft!«
Leslie allerdings hatte nur gelacht. »Komm schon, wem willst du hier was vormachen? Es ist ganz klar, was da zwischen euch läuft: Du bist wahnsinnig in den Kerl verliebt! «
Aber wie konnte ich in einen Jungen verliebt sein, den ich erst ein paar Tage kannte? Einen Jungen, der sich die meiste Zeit mir gegenüber unmöglich verhielt? Allerdings, in den Augenblicken, wo er das nicht tat, war er einfach ... er war so ... so unglaublich . . .
»Hier bin ich wieder!«, krähte Xemerius und landete mit Schwung auf dem Esstisch neben der Kerze. Caroline in Mums Schoß zuckte zusammen und starrte in seine Richtung.
»Was ist, Caroline?«, fragte ich leise.
»Ach nichts«, sagte sie. »Ich dachte, ich hätte einen Schatten gesehen.«
»Tatsächlich?« Ich sah Xemerius verblüfft an.
Der hob nur eine Schulter und grinste. »Es ist bald Vollmond. Sensible Menschen können uns da manchmal sehen, meistens nur aus den Augenwinkeln. Wenn sie dann genauer hinschauen, sind wir gar nicht da . ..« Er hängte sich wieder an den Kronleuchter. »Die alte Dame mit den Löckchen sieht und spürt auch mehr, als sie zugibt. Als ich ihr probeweise eine Klaue auf die Schulter gelegt habe, hat sie dorthin gefasst ... In deiner Familie wundert mich das nicht.«
Ich betrachtete Caroline liebevoll. Das sensible Kind - nicht dass sie am Ende noch Großtante Maddys Gabe der Visionen geerbt hatte.
»Jetzt kommt meine Lieblingsstelle«, sagte Caroline mit leuchtenden Augen und Großtante Maddy erzählte genüsslich, wie die sadistisch veranlagte Hazel mit ihrem feinen Sonntagskleid bis zum Hals in der Jauche gestanden und laut gekreischt hatte: »Das zahle ich dir heim, Madeleine, das zahle ich dir heim!«
»Und das tat sie dann ja auch«, sagte Großtante Maddy. »Mehr als einmal.«
»Aber die Geschichte hören wir ein anderes Mal«, sagte meine Mum energisch. »Die Kinder müssen ins Bett. Morgen ist Schule.«
Da seufzten wir alle und Großtante Maddy seufzte am lautesten.
Freitag war Pfannkuchentag, da ließ sich niemand das Essen in der Schulmensa entgehen, denn es war so ziemlich das einzige Gericht, das dort genießbar war. Da ich wusste, dass Leslie für diese Pfannkuchen sterben würde, erlaubte ich nicht, dass sie bei mir im Klassenraum blieb, wo ich mit James
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