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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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wieder schössen ihr Tränen in die Augen. »Das bin ich.« Aber offensichtlich zog das Argument trotzdem nicht. »Komm, das Taxi wartet schon seit einer halben Stunde. Es wird mich vermutlich ein halbes Monatsgehalt kosten.«
    Ich folgte ihr mit einem Seufzer die Straße hinunter. »Wir können mit der U-Bahn fahren.«
    »Nein, du brauchst schleunigst was Warmes zu essen. Außerdem vermissen deine Geschwister dich fürchterlich. Noch ein Abendessen ohne dich würden sie nicht aushalten.«
     
    Überraschenderweise wurde es ein friedlicher und gemütlicher Abend, denn meine Großmutter war mit Tante Glenda und Charlotte in die Oper gegangen.
    »Tosca«, sagte Großtante Maddy vergnügt und schüttelte ihre blonden Löckchen. »Sie werden hoffentlich ein wenig geläutert zurückkommen.« Sie zwinkerte mir verschmitzt zu. »Gut, dass Violet die Karten übrig hatte.«
    Ich schaute fragend in die Runde. Es stellte sich heraus, dass Großtante Maddys Freundin (eine nette alte Dame mit dem wunderbaren Namen Mrs Violet Purpleplum, die uns immer Schals und Socken zu Weihnachten strickte) eigentlich mit ihrem Sohn und ihrer künftigen Schwiegertochter in die Oper hatte gehen wollen, aber wie es aussah, würde die zukünftige Schwiegertochter nun die zukünftige Schwiegertochter einer anderen Frau werden.
    Wie immer, wenn Lady Arista und Tante Glenda außer Haus waren, machte sich bei uns sofort ausgelassene Stimmung breit. Es war ein bisschen wie in der Grundschule, wenn der Lehrer den Klassenraum verließ. Noch während des Essens musste ich aufspringen und meinen Geschwistern, Tante Maddy, Mum und Mr Bernhard zeigen, wie Plusterlippe und Charlotte mir beigebracht hatten, Menuett zu tanzen und einen Fächer zu benutzen, und Xemerius soufflierte mir, wenn ich etwas vergaß. So im Nachhinein fand ich es selber eher komisch als tragisch und ich konnte verstehen, dass die anderen sich amüsierten. Nach einer Weile tanzten alle (außer Mr Bernhard, der aber immerhin mit der Fußspitze im Takt wippte) durch den Raum und sprachen näselnd wie Giordano. Dabei riefen wir ständig durcheinander.
    »Dummes Ding! Schau doch, wie Charlotte es macht!«
    »Rechts! Nein, rechts ist, wo der Daumen links ist.«
    Und: »Ich kann deine Zähne sehen! Das ist unpatriotisch!«
    Nick stellte dreiundzwanzig verschiedene Arten und Weisen vor, sich mit einer Serviette Luft zuzufächeln und dabei dem Gegenüber ohne Worte eine Mitteilung zu machen. »Das hier bedeutet:
Ups, Sie haben den Hosenstall offen, mein Herr,
und wenn man den Fächer ein wenig senkt und dabei so hinüberschaut, heißt das:
Hach, ich möchte Sie heiraten.
    Aber wenn man es andersherum macht, heißt es:
Ätsch, ab heute befinden wir uns im Krieg mit Spanien . . .«
    Ich musste zugeben, Nick verfügte wirklich über großartiges schauspielerisches Talent. Caroline warf schließlich beim Tanzen (eher Cancan als Menuett) ihre Beine so hoch, dass einer ihrer Schuhe in der Schüssel mit der Bayerischen Creme landete, die es zum Nachtisch gab.
    Dieses Ereignis dämpfte unseren Übermut ein wenig, bis Mr Bernhard den Schuh herausfischte, auf Carolines Teller legte und todernst sagte: »Ich freue mich, dass so viel von der Creme übrig geblieben ist. Miss Charlotte und die beiden Damen werden sicher eine Kleinigkeit essen wollen, wenn sie aus der Oper heimkehren.«
    Meine Großtante strahlte ihn an. »Sie sind immer so fürsorglich, mein Lieber.«
    »Es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es Ihnen allen gut geht«, sagte Mr Bernhard. »Das habe ich Ihrem Bruder vor seinem Tod versprochen.«
    Ich schaute die beiden nachdenklich an. »Ich frage mich gerade, ob Grandpa Ihnen etwas von einem grünen Reiter erzählt hat, Mr Bernhard. Oder dir, Tante Maddy.«
    Tante Maddy schüttelte den Kopf. »Ein grüner Reiter? Was soll das sein?«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte ich. »Ich weiß nur, dass ich ihn finden muss.«
    »Wenn ich etwas suche, dann gehe ich meistens in die Bibliothek Ihres Großvaters«, sagte Mr Bernhard und seine braunen Eulenaugen funkelten hinter der Brille. »Dort bin ich noch jedes Mal fündig geworden. Wenn Sie Hilfe benötigen:
    Ich kenne mich gut aus, denn ich bin derjenige, der die Bücher abstaubt.«
    »Das ist eine gute Idee, mein Lieber«, sagte Großtante Maddy.
    »Immer zu Ihren Diensten, Madam.« Mr Bernhard legte noch Holz im Kamin nach, bevor er uns eine gute Nacht wünschte.
    Xemerius folgte ihm. »Ich will doch unbedingt mal sehen, ob er seine Brille

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