Saphirblau
gehört«, sagte Xemerius. »Die Rede war davon, dass man dich von allen Informationen so weit wie möglich fernhalten solle. Dass du in deiner durch mangelnde Erziehung bedingten Naivität und deiner Unwissenheit bereits jetzt ein Sicherheitsrisiko bist und außerdem die Indiskretion in Person. Deine Freundin Leslie jedenfalls wollen sie auch im Auge behalten.«
»Oh, Scheiße.«
»Die gute Nachricht ist, dass sie die Schuld an deiner Unfähigkeit ganz und gar deiner Mutter in die Schuhe schieben. Weiber sind überhaupt immer an allem schuld, da waren sie sich einig, die Herren Geheimniskrämer. Und dann ging es noch mal um lauter Beweise, Schneiderrechnungen, Briefe, gesunder Menschenverstand und nach einigem Hin und Her stimmten alle darin überein, dass Paul und Lucy mit dem Chronografen ins Jahr 1912 gesprungen seien, wo sie jetzt lebten. Wobei das Wort jetzt in diesem Fall nicht wirklich passt.« Xemerius kratzte sich am Kopf. »Egal, da verstecken sich die beiden jedenfalls, da sind sich alle ganz sicher, und bei der nächsten Gelegenheit soll dein wunderbarer, starker Held sie aufspüren, ihnen Blut abzapfen und den Chronografen wieder abnehmen, wo er schon mal dabei ist, und dann ging es wieder von vorne los, blablabla, goldene Regeln, salbungsvolles Geschwafel. . .« »Ist ja interessant«, sagte ich.
»Findest du? Wenn ja, dann liegt es nur an meiner höchst amüsanten Art, den langweiligen Kram zusammenzufassen.«
Ich öffnete die Tür zum nächsten Korridor und wollte gerade Xemerius antworten, als ich eine Stimme hörte: »Du bist immer noch genauso arrogant wie früher!«
Das war meine Mum! Und tatsächlich, als ich um die Ecke bog, sah ich sie. Sie stand vor Falk de Villiers und hatte beide Hände zu Fäusten geballt.
»Und du noch genauso starrköpfig und uneinsichtig!«, sagte Falk. »Was du dir - warum auch immer - mit deinen Verschleierungsversuchen, Gwendolyns Geburt betreffend, erlaubt hast, hat der Sache erheblich geschadet.«
»Der
Sache!
Eure Sache war euch immer schon wichtiger als die Menschen, die an dieser Sache beteiligt sind!«, rief meine Mutter.
Ich schloss die Tür so leise wie möglich und ging langsam weiter.
Xemerius hangelte sich an der Wand entlang. »Boah, die sieht aber wütend aus.«
Das stimmte. Die Augen meiner Mum glitzerten, ihre Wangen waren gerötet und ihre Stimme war ungewöhnlich hoch. »Wir hatten uns darauf geeinigt, dass Gwendolyn da rausgehalten wird. Dass sie nicht in Gefahr gebracht wird! Und jetzt wollt ihr sie dem Grafen direkt auf einem Tablett servieren. Sie ist doch vollkommen . . . hilflos!«
»Und daran bist du allein schuld«, sagte Falk de Villiers kalt.
Mum biss sich auf ihre Lippe. »Als Großmeister dieser Loge hast du die Verantwortung!«
»Hättest du von Anfang an mit offenen Karten gespielt, wäre Gwendolyn jetzt nicht unvorbereitet. Nur damit du es weißt - mit deiner Geschichte, von wegen, du wolltest deiner Tochter eine unbeschwerte Kindheit verschaffen, konntest du vielleicht Mr George täuschen, aber nicht mich. Ich bin nach wie vor sehr gespannt auf das, was uns diese Hebamme erzählen kann.«
»Ihr habt sie noch nicht gefunden?« Meine Mutter klang nicht mehr ganz so schrill.
»Es ist nur eine Frage von Tagen, Grace. Wir haben unsere Leute überall.« Jetzt bemerkte er meine Gegenwart und der kalte, zornige Ausdruck auf seinem Gesicht verschwand.
»Warum bist du allein, Gwendolyn?«
»Liebling!« Meine Mum stürzte auf mich zu und umarmte mich. »Ich dachte, ehe es wieder so spät wird wie gestern, hole ich dich lieber ab.«
». . . und nutzt die Gelegenheit, mich mit Vorwürfen zu überhäufen«, ergänzte Falk mit einem kleinen Lachen. »Warum ist Mr Marley nicht bei dir, Gwendolyn?«
»Das letzte Stück durfte ich allein gehen«, sagte ich ausweichend. »Worüber habt ihr euch gestritten?«
»Deine Mummy denkt, deine Ausflüge ins 18. Jahrhundert seien zu gefährlich«, sagte Falk.
Ja, das konnte ich ihr nicht verübeln. Und dabei kannte sie nicht mal einen Bruchteil der Gefahren. Von den Männern, die uns im Hyde Park angegriffen hatten, hatte ihr niemand etwas erzählt. Ich jedenfalls hätte mir eher die Zunge abgebissen. Von Lady Tilney und den Pistolen konnte sie auch nichts wissen, und dass der Graf von Saint Germain mich auf sehr gruselige Weise bedroht hatte, das hatte ich bisher nur Leslie anvertraut. Ah, und meinem Grandpa, natürlich.
Ich sah Falk prüfend an. »Das mit dem Fächerwedeln und dem
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