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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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dunklen Augen auf mich.
    Der Graf war ähnlich wie alle Männer im Saal gekleidet - er trug eine Perücke und einen Gehrock, dazu etwas alberne Kniebundhosen und merkwürdige Schuhe mit Schnallen. Aber im Gegensatz zu den anderen kam er mir nicht so vor, als sei er geradewegs aus einem Kostümfilm entsprungen, und zum ersten Mal wurde mir so richtig bewusst, wo ich hier eigentlich gelandet war.
    Seine Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln und ich neigte höflich den Kopf, während mein ganzer Körper sich mit einer Gänsehaut überzog. Nur mit Mühe unterdrückte ich den Reflex, an meine Kehle zu greifen. Ich wollte ihn lieber gar nicht erst auf dumme Gedanken bringen.
    »Euer Ziehbruder ist übrigens ein wirklich gut aussehender Mann, meine Liebe«, sagte Lady Brompton. »Ganz entgegen den Gerüchten, die an uns herangetragen wurden.«
    Ich löste meinen Blick vom Grafen von Saint Germain und schaute wieder zu Gideon hinüber. »Das stimmt. Er ist wirklich sehr . . . gut aussehend.« Das schien die Dame in Grün auch zu finden. Sie zupfte gerade mit einem koketten Lächeln sein Halstuch zurecht. Giordano hätte mich für ein solches Verhalten vermutlich getötet. »Wer ist denn die Dame, die ihn da befu. . . äh, mit der er spricht?«
    »Lavinia Rutland. Londons schönste Witwe.«
    »Aber kein Mitleid bitte«, warf Primelblume ein. »Sie lässt sich schon länger vom Herzog von Lancashire trösten, sehr zum Missvergnügen der Herzogin, und parallel dazu hat sie eine Vorliebe für aufstrebende Politiker entwickelt. Interessiert sich Euer Bruder für Politik?«
    »Ich glaube, das spielt im Moment keine Rolle«, sagte Lady Brompton. »Lavinia sieht aus, als habe sie gerade ein Geschenk zum Auspacken bekommen.« Wieder musterte sie Gideon von Kopf bis Fuß. »Nun, gerüchteweise war die Rede von schwächlicher Konstitution und teigiger Statur. Wie überaus erfreulich, dass das nicht zutrifft.« Plötzlich trat ein erschrockener Ausdruck auf ihr Gesicht. »Oh, Ihr habt ja noch gar nichts zu trinken!«
    Lady Bromptons Cousine sah sich um und stupste einen jungen Mann in die Seite, der in der Nähe stand. »Mr Merchant? Macht Euch ein wenig nützlich und besorgt uns ein paar Gläser von Lady Bromptons Spezialpunsch. Und bringt Euch selber auch ein Glas mit. Wir möchten Euch heute noch singen hören.«
    »Das hier ist übrigens die zauberhafte Miss Penelope Gray, das Mündel des Viscount of Batten«, sagte Lady Brompton. »Ich würde Euch einander gründlicher vorstellen, aber sie ist ohne jedes Vermögen und Ihr seid ein Mitgiftjäger - es lohnt sich also nicht, hier meiner Passion des Verkuppelns nachzukommen.«
    Mr Merchant, der einen Kopf kleiner war als ich, wie im Übrigen viele hier im Saal, sah nicht besonders beleidigt aus. Er verbeugte sich galant und sagte mit einem intensiven Blick in meinen Ausschnitt: »Das heißt aber nicht, dass ich den Reizen einer so zauberhaften jungen Dame gegenüber blind wäre.«
    »Das freut mich für Euch«, sagte ich unsicher und darüber brachen Lady Brompton und ihre Cousine in lautes Gelächter aus.
    »Oh, nein, Lord Brompton und Miss Fairfax nähern sich dem Pianoforte!«, sagte Mr Merchant und rollte mit den Augen. »Ich ahne Böses.«
    »Schnell! Unsere Getränke!«, befahl Lady Brompton. »Das kann kein Mensch nüchtern ertragen.«
    Der Punsch, an dem ich erst nur zögernd nippte, schmeckte wunderbar. Sehr nach Früchten, ein bisschen nach Zimt und nach etwas anderem. Mein Magen wurde davon angenehm warm. Für einen Moment war ich ganz entspannt und begann, den prachtvoll ausgeleuchteten Raum mit diesen vielen gut gekleideten Leuten zu genießen, aber dann griff mir Mr Merchant von hinten ins Dekollete und ich hätte beinahe den Punsch verschüttet.
    »Eines der entzückenden kleinen Röschen war verrutscht«, behauptete er, wobei er ziemlich anzüglich grinste. Ich starrte ihn unschlüssig an. Giordano hatte mich nicht auf eine solche Situation vorbereitet und so wusste ich auch nicht, was die Etikette im Fall eines Rokoko-Grapschers vorsah. Hilfe suchend sah ich zu Gideon hinüber, aber er war so vertieft in sein Gespräch mit der jungen Witwe, dass er das gar nicht bemerkte. Wären wir in meinem Jahrhundert gewesen, hätte ich Mr Merchant gesagt, er solle seine schmutzigen Griffel gefälligst bei sich behalten, sonst würde bei ihm gleich was ganz anderes verrutschen als ein Röschen. Aber unter den gegebenen Umständen schien mir diese Reaktion ein wenig -

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