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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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man für solche Manöver in jedem Fall eine helfende Hand, wenn nicht sogar zwei), fiel mir auf, dass er dieses Mal keinen Degen bei sich hatte. Wie leichtsinnig!
    Passanten musterten uns neugierig und Mr Whitman hielt uns das Kirchenportal auf. »Ein bisschen schneller, bitte!«, sagte er »Wir wollen doch kein Aufsehen erregen.« Nee, klar, das war ja auch kein bisschen aufsehenerregend, dass zwei schwarze Limousinen am helllichten Nachmittag in der North Audley Street parkten und Männer in Anzügen die Bundeslade aus dem Kofferraum zogen und über den Bürgersteig in die Kirche trugen. Obwohl - von Weitem konnte die Truhe auch als ein kleiner Sarg durchgehen ... Ich bekam eine Gänsehaut.
    »Ich hoffe, du hast wenigstens an die Pistole gedacht«, flüsterte ich Gideon zu.
    »Du hast ja eine komische Vorstellung von dieser Soiree«, gab er in normaler Lautstärke zurück und legte mir den Schal um die Schultern. »Hat eigentlich schon jemand den Inhalt deiner Handtasche kontrolliert? Nicht, dass mitten während eines Vortrags dein Handy klingelt.«
    Bei der Vorstellung musste ich kurz lächeln, denn mein Handyton war zurzeit ein laut quakender Frosch. »Außer dir ist ja niemand da, der mich anrufen könnte«, sagte ich.
    »Und ich hab nicht mal deine Nummer. Kann ich bitte trotzdem mal einen Blick in die Tasche werfen?«
    »Es heißt
Retikül«,
sagte ich und hielt ihm mit einem Achselzucken den Beutel hin.
    »Riechsalz, Taschentuch, Parfüm, Puder . . . vorbildlich«, sagte Gideon. »Wie es sich gehört. Komm.« Er gab mir das Retikül zurück, griff nach meiner Hand und führte mich durch das Kirchenportal, das Mr Whitman direkt hinter uns verriegelte. Drinnen vergaß Gideon, meine Hand loszulassen, und das war jetzt doch ganz gut so, denn sonst hätte ich in letzter Minute Panik bekommen und wäre davongelaufen.
    Auf dem freien Platz vor dem Altar waren Falk de Villiers und Mr Marley dabei, unter den skeptischen Blicken des Pfarrers (im vollen Messornat) den Chronografen aus der Bundesla- äh ... der Truhe zu befreien. Dr. White durchmaß den Raum mit großen Schritten und sagte: »Von der vierten Säule elf Schritte nach links, dann geht ihr auf Nummer sicher.«
    »Ich weiß nicht, ob ich dafür garantieren kann, dass die Kirche um 18:30 Uhr wirklich menschenleer ist«, sagte der Pfarrer nervös. »Der Organist bleibt gern noch länger und es gibt einige Gemeindemitglieder, die mich an der Tür in Gespräche verwickeln, die ich nur schwer . . .«
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte Falk de Villiers. Der Chronograf stand nun direkt auf dem Altar. Das Licht der Nachmittagssonne brach sich in den bunten Kirchenfenstern und ließ die Edelsteine unendlich riesig erscheinen. »Wir werden hier sein und Ihnen nach dem Gottesdienst helfen, Ihre Schäfchen loszuwerden.« Er blickte zu uns hinüber. »Seid ihr so weit?«
    Gideon ließ endlich meine Hand los. »Ich springe als Erster«, sagte er. Dem Pfarrer stand der Mund weit offen, als er sah, wie Gideon in einem Strudel gleißend hellen Lichts einfach verschwand.
    »Gwendolyn.« Während Falk meine Hand nahm und meinen Finger in den Chronografen schob, lächelte er mir ermutigend zu. »Wir sehen uns in genau vier Stunden wieder.«
    »Hoffentlich«, murmelte ich, da bohrte sich die Nadel auch schon in mein Fleisch, der Raum füllte sich mit rotem Licht und ich schloss die Augen.
    Als ich sie wieder öffnete, taumelte ich leicht und jemand hielt mich an der Schulter fest. »Alles in Ordnung«, flüsterte Gideons Stimme an meinem Ohr.
    Viel konnte man nicht sehen. Nur eine einzelne Kerze erhellte den Altarraum, der Rest der Kirche lag in gespenstischem Dunkel.
    »Bienvenue«, sagte eine raue Stimme aus ebendiesem Dunkel, und obwohl ich damit gerechnet hatte, zuckte ich zusammen. Eine Männergestalt löste sich aus dem Schatten einer Säule und im Licht der Kerze erkannte ich das bleiche Gesicht von Rakoczy, dem Freund des Grafen. Wie bei unserer ersten Begegnung erinnerte er mich an einen Vampir, die schwarzen Augen waren ohne jeden Glanz, im spärlichen Licht wirkten sie einmal mehr wie unheimliche schwarze Löcher.
    »Monsieur Rakoczy«, sagte Gideon auf Französisch und verbeugte sich höflich. »Ich freue mich, Euch zu sehen. Meine Begleiterin kennt Ihr ja bereits.«
    »Sicher. Mademoiselle Gray, für heute Abend. Es ist mir eine Freude.« Rakoczy deutete eine Verbeugung an.
    »Äh, tres ...«, murmelte ich. »Die Freude ist ganz auf meiner Seite«, wechselte

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