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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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hätte.
    »Es tut mir leid«, sagte ich zum wiederholten Mal.
    »Lord Alastair ist nur in Begleitung eines Pagen und seines Kutschers hier«, raunte Rakoczy, der wie eine Art Kastenteufel hinter Gideon auftauchte. »Der Weg und die Kirche sind gesichert. Alle Eingänge der Kirche sind bewacht.«
    »Dann komm«, sagte Gideon und griff nach meiner Hand.
    »Ich könnte die junge Dame auch tragen«, schlug Rakoczy vor. »Sie scheint nicht mehr so sicher auf den Beinen zu sein.«
    »Eine reizvolle Idee, aber - nein danke«, sagte Gideon. »Die paar Meter schafft sie allein, oder?« Ich nickte entschlossen.
    Der Regen war stärker geworden. Nach dem hell erleuchteten Salon der Bromptons war der Gang durch die Dunkelheit zurück zur Kirche noch unheimlicher als auf dem Hinweg. Wieder schienen die Schatten lebendig zu werden, wieder vermutete ich in jedem Winkel eine Gestalt, bereit, sich auf uns zu stürzen.
». . . vom Antlitz dieser Erde tilgen, was nicht von Gott gewollt ist«,
schienen die Schatten zu raunen.
    Auch Gideon schien der Weg nicht geheuer zu sein. Er ging so schnell, dass ich Mühe hatte, Schritt zu halten, und er sagte kein einziges Wort. Leider sorgte die Nässe weder für einen klaren Kopf noch dafür, dass der Boden aufhörte zu schwanken. Daher war ich unendlich erleichtert, als wir in der Kirche angekommen waren und Gideon mich auf eine der Bänke vor dem Altar niederdrückte. Während er ein paar Worte mit Rakoczy wechselte, schloss ich die Augen und verfluchte meine Unvernunft. Sicher, dieser Punsch hatte auch positive Nebenwirkungen gehabt, aber alles in allem hätte ich mich besser an Leslies und meinen Antialkohol-Pakt gehalten. Hinterher war man immer klüger.
    Wie bei unserer Ankunft hier brannte nur eine einzige Kerze auf dem Altar und von dieser kleinen, flackernden Lichtinsel abgesehen lag die Kirche im Düsteren. Als Rakoczy sich zurückzog - »Alle Türen und Fenster werden von meinen Leuten überwacht, bis Ihr zurückspringt« -, wurde ich von Angst übermannt. Ich sah zu Gideon hoch, der neben meine Bank getreten war.
    »Hier drin ist es genauso gruselig wie draußen. Warum bleibt er nicht bei uns?«
    »Aus Höflichkeit.« Er verschränkte seine Arme. »Er möchte nicht mit anhören, wie ich dich anschreie. Aber keine Sorge, wir sind allein. Rakoczys Leute haben jeden Winkel abgesucht.«
    »Wie lange dauert es denn noch, bis wir springen?«
    »Nicht mehr lang. Gwendolyn - dir ist schon klar, dass du so ziemlich genau das Gegenteil von dem gemacht hast, was du tun solltest, oder? Wie immer, eigentlich.«
    »Du hättest mich eben nicht allein lassen sollen - ich wette, das war auch so ziemlich das Gegenteil von dem, was du tun solltest!«
    »Jetzt gib bloß nicht mir die Schuld! Erst betrinkst du dich, dann singst du Musical-Songs und schließlich benimmst du dich ausgerechnet vor Lord Alastair wie eine Verrückte! Was sollte denn das Gerede über Schwerter und Dämonen?«
    »Ich habe nicht damit angefangen. Das war dieser schwarze, unheimliche Gei-« Ich biss mir auf die Lippen. Das konnte ich ihm einfach nicht sagen, er hielt mich ohnehin für merkwürdig genug.
    Gideon missverstand mein plötzliches Schweigen vollkommen falsch. »Oh nein! Bitte übergib dich nicht! Oder wenn, dann irgendwo weit weg von mir.« Er betrachtete mich leicht angewidert. »Himmel, Gwendolyn, ich verstehe ja, dass es einen gewissen Reiz hat, sich auf einer Party zu betrinken, aber doch nicht auf
dieser!«
    »Mir ist nicht schlecht.« Noch jedenfalls nicht. »Und ich trinke niemals auf Partys - ganz gleich, was dir Charlotte erzählt hat.«
    »Sie hat mir gar nichts erzählt«, sagte Gideon.
    Ich musste lachen. »Nee, klar. Sie hat auch nicht behauptet, dass ich und Leslie mit jedem Jungen aus unserer Klasse was hatten und außerdem so ziemlich mit jedem aus den Klassen darüber, oder?«
    »Warum sollte sie so was sagen?«
    Lass mal überlegen - vielleicht, weil sie eine hinterhältige rothaarige Hexe ist?
Ich versuchte, mich an der Kopfhaut zu kratzen, aber meine Finger kamen nicht durch den aufgetürmten Lockenberg. Darum zog ich eine Haarnadel heraus und benutzte sie als Kratzer. »Es tut mir leid - wirklich! Man kann über Charlotte sagen, was man will, aber ganz sicher hätte sie nicht mal an diesem Punsch
gerochen.«
    »Das stimmt«, sagte Gideon und lächelte plötzlich. »Allerdings hätten diese Menschen dann auch nicht Andrew Lloyd Webber zu hören bekommen, zweihundert Jahre zu früh, und das wäre

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