Saphirblau
doch sehr schade gewesen.«
»Richtig . . . auch wenn ich morgen wahrscheinlich vor Scham darüber im Boden versinken möchte.« Ich vergrub das Gesicht in meinen Händen. »Eigentlich jetzt schon, wenn ich es recht bedenke.«
»Das ist gut«, sagte Gideon. »Es bedeutet, die Wirkung des Alkohols lässt schon nach. Eine Frage hätte ich aber noch: Wozu hättest du die Haarbürste gebraucht?«
»Als Mikro-Ersatz«, murmelte ich zwischen meinen Fingern hindurch. »Oh mein Gott! Ich bin schrecklich.«
»Aber du hast eine hübsche Stimme«, sagte Gideon. »Selbst mir als erklärtem Musical-Hasser hat es gefallen.«
»Warum konntest du es so gut spielen, wenn du es hasst?« Ich legte die Hände in meinen Schoß und sah ihn an. »Du warst unglaublich! Gibt es eigentlich irgendwas, was du nicht kannst?« Himmel, ich hörte mich an wie ein Groupie.
»Nein! Du darfst mich ruhig für einen Gott halten.« Er grinste. »Das ist auch wieder irgendwie süß von dir. Komm, es ist fast so weit. Wir müssen auf unsere Position.«
Ich stand auf und versuchte, mich so gerade zu halten wie möglich.
»Hier rüber«, dirigierte Gideon. »Komm schon, guck nicht so zerknirscht. Im Grunde genommen ist der Abend ein Erfolg gewesen. Es war vielleicht ein bisschen anders als gedacht, aber es verlief alles genau nach Plan. Hey, stehen geblieben.« Er umfasste meine Taille mit beiden Händen und zog mich an sich, bis mein Rücken an seiner Brust lag. »Du darfst dich ruhig gegen mich lehnen.« Er schwieg einen Moment. »Und tut mir leid, dass ich eben so garstig war.«
»Schon vergessen.« Was ein bisschen gelogen war. Aber es war das erste Mal, dass Gideon sich für sein Verhalten entschuldigte, und vielleicht lag es an dem Alkohol oder am Nachlassen seiner Wirkung, aber ich war davon sehr gerührt.
Eine Weile standen wir schweigend da und schauten auf das flackernde Licht der Kerze weiter vorn. Die Schatten zwischen den Säulen schienen sich ebenfalls zu bewegen und warfen dunkle Muster auf den Boden und an die Decke. »Dieser Alastair - warum hasst er den Grafen so? Ist es was Persönliches?«
Gideon begann, mit einer der Haarlocken zu spielen, die mir auf die Schulter fielen. »Wie man es nimmt. Was sich so vollmundig florentinische Allianz nennt, ist in Wirklichkeit seit Jahrhunderten eine Art Familienbetrieb. Bei seinen Zeitreisen ins 16. Jahrhundert geriet der Graf versehentlich mit der Familie des Conte di Madrone in Florenz aneinander. Oder sagen wir, seine Fähigkeiten wurden von ihnen gänzlich missverstanden. Zeitreisen vertrugen sich nicht mit der religiösen Auffassung des Conte, außerdem gab es da wohl ein Missverständnis mit der Tochter, jedenfalls war er überzeugt, einen Dämon vor sich zu haben, und fühlte sich von Gott berufen, diese Ausgeburt der Hölle auszurotten.« Seine Stimme war auf einmal ganz nah an meinem Ohr, und bevor er weitersprach, berührte er mit seinen Lippen meinen Hals. »Als der Conte di Madrone starb, übernahm sein Sohn dieses Erbe und nach ihm dessen Sohn und so weiter. Lord Alastair ist der letzte einer Reihe von fanatischen eingebildeten Dämonenjägern, wenn du so willst.«
»Verstehe«, sagte ich, was nicht ganz der Wahrheit entsprach. Aber es passte irgendwie zu dem, was ich vorhin gesehen und gehört hatte. »Sag mal,
küsst
du mich gerade?«
»Nein, nur beinahe«, murmelte Gideon, die Lippen direkt über meiner Haut. »Ich möchte auf keinen Fall ausnutzen, dass du betrunken bist und mich gerade für einen Gott hältst. Aber es ist irgendwie schwer für mich . . .«
Ich schloss die Augen und ließ meinen Hinterkopf gegen seine Schulter sinken und er zog mich noch fester an sich.
»Wie gesagt, du machst es einem wirklich nicht leicht. In Kirchen komme ich bei dir immer auf dumme Gedanken ...«
»Es gibt da etwas, das du nicht über mich weißt«, sagte ich mit geschlossenen Augen. »Manchmal, da sehe ich . . . ich kann . . . also, Menschen, die längst tot sind . . . manchmal kann ich sie sehen und hören, was sie sagen. So wie vorhin. Ich glaube, der Mann, den ich neben Lord Alastair gesehen habe, könnte dieser italienische Conte gewesen sein.«
Gideon schwieg. Wahrscheinlich überlegte er gerade, wie er mir möglichst taktvoll einen guten Psychiater empfehlen sollte.
Ich seufzte. Ich hätte es für mich behalten sollen. Jetzt hielt er mich zu allem Überfluss auch noch für verrückt.
»Es geht los, Gwendolyn«, sagte er, schob mich ein Stück von sich und drehte mich so,
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