Saphirblau
nichts, mit dem ich zu prahlen pflege«, sagte Lord Alastair arrogant und der schwarz gekleidete Mann mit dem olivfarbenen Teint, der ein kleines Stück hinter ihm stand, ergänzte mit rauer Stimme: »So ist es.« Seine schwarzen Augen brannten dem Grafen förmlich Löcher ins Gesicht, sodass kein Zweifel daran bestehen konnte, dass er ihn zutiefst hasste. Für einen Moment kam mir der Gedanke, dass er unter seinem Umhang einen Degen verborgen hatte, den zu zücken er jeden Augenblick beabsichtigte. Warum er überhaupt einen solchen Umhang trug, war mir ein Rätsel. Erstens war es warm genug und zweitens wirkte es in dieser festlichen Umgebung unhöflich und wunderlich.
Lord Brompton strahlte fröhlich in die Runde, als würde er von der feindseligen Stimmung gar nichts mitbekommen.
Der Graf trat vor. »Lord Alastair, welche Freude! Auch wenn unsere Bekanntschaft einige Jahre zurückliegt, habe ich Euch niemals vergessen«, sagte er.
Da ich hinter Saint Germain stand, konnte ich sein Gesicht nicht sehen, aber es hörte sich an, als ob er lächelte. Seine Stimme klang freundlich und heiter. »Ich erinnere mich noch an unsere Gespräche über Sklaverei und Moral und wie erstaunlich ich es fand, dass Ihr beides so perfekt voneinander zu trennen in der Lage wart - genau wie Euer Vater.«
»Der Graf vergisst niemals etwas«, sagte Lord Brompton schwärmerisch. »Sein Gehirn ist phänomenal! In den letzten Tagen in seiner Gesellschaft habe ich mehr gelernt als in meinem ganzen Leben zuvor. Wusstet Ihr beispielsweise, dass der Graf in der Lage ist, künstliche Edelsteine herzustellen?«
»Ja, das war mir bekannt.« Lord Alastairs Blick wurde, wenn überhaupt möglich, noch kälter und sein Begleiter atmete schwer, wie jemand, der kurz davor ist, Amok zu laufen. Ich starrte ganz fasziniert auf seinen Umhang.
»Die Wissenschaft ist nicht unbedingt Lord Alastairs Steckenpferd, soweit ich mich erinnere«, sagte der Graf. »Oh, wie unhöflich von mir.« Er trat einen Schritt zur Seite und gab den Blick auf Gideon und mich frei. »Ich wollte Euch doch diese beiden bezaubernden jungen Menschen vorstellen. Ehrlich gesagt war das der einzige Grund, warum ich mich heute hier eingefunden habe. In meinem Alter meidet man Gesellschaften und begibt sich abends früh zu Bett.«
Bei Gideons Anblick weiteten sich die Augen des Lords ungläubig.
Lord Brompton schob seinen massigen Leib zwischen Gideon und mich. »Lord Alastair, darf ich Euch den Sohn des Viscount of Batten vorstellen? Und das Mündel des Viscount, die entzückende Miss Gray.«
Meine Reverenz fiel aus zweierlei Gründen etwas weniger ehrerbietig aus, als die Etikette es vorschrieb: Zum einen fürchtete ich um mein Gleichgewicht, zum anderen wirkte der Lord so arrogant, dass ich ganz vergaß, dass ich nur das mittellose Mündel des Viscount of Batten darstellte. Hey, ich war selber die Enkeltochter eines Lords mit einer langen und ruhmvollen Ahnenreihe und außerdem spielte die Herkunft in unserer Zeit überhaupt keine Rolle mehr - alle Menschen waren gleich, oder etwa nicht?
Lord Alastairs Blick hätte mir zu jeder anderen Zeit das Blut in den Adern gefrieren lassen, aber der Punsch war ein zuverlässiges Antifrostmittel, und daher erwiderte ich seinen Blick so hoheitsvoll wie möglich. Lange schenkte er mir ohnehin keine Aufmerksamkeit, es war Gideon, den er nicht aus den Augen ließ, während Lord Brompton fröhlich auf uns einplapperte.
Niemand machte sich die Mühe, den schwarz gekleideten Begleiter von Lord Alastair vorzustellen, und niemand schien mitzubekommen, wie er mich über Lord Alastairs Schulter anstarrte und knurrte: »Du! Dämon mit den Saphiraugen! Du wirst bald zur Hölle fahren.«
Wie bitte? Das ging jetzt aber wirklich zu weit. Ich sah Hilfe suchend zu Gideon, der ein etwas angespanntes Lächeln zur Schau trug. Aber er sprach erst, als Lord Brompton sich entfernen wollte, um seine Frau zu holen - und ein paar Gläser Punsch.
»Bitte keine Mühe, Lord Brompton«, sagte er. »Wir müssen uns ohnehin bald verabschieden. Meine Schwester ist noch etwas schwach nach der langen Krankheit und das lange Aufbleiben nicht gewöhnt.« Er legte seinen Arm wieder um meine Taille und fasste mit der anderen nach meinem Unterarm. »Wie Ihr seht, ist sie ein wenig unsicher auf den Beinen.«
Wie recht er hatte! Der Boden schwankte wirklich unangenehm unter meinen Füßen. Dankbar lehnte ich mich an Gideon.
»Oh, ich bin gleich wieder da!«, rief der Lord.
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