Saphirblau
ausschläfst.«
»Das konnte ich mir leider nicht aussuchen!«, sagte Tante Maddy.
»Sie hatte wieder eine Vision heute Nacht«, erklärte mir Caroline.
»Ja, allerdings«, sagte Tante Maddy. »Es war fürchterlich. So
traurig.
Es hat mich schrecklich mitgenommen. Da war dieses wunderschöne Herz aus geschliffenem Rubin, das in der Sonne funkelte ... Es lag ganz oben auf einem Felsvorsprung.«
Ich war mir nicht sicher, ob ich hören wollte, wie es weiterging.
Meine Mum lächelte mir zu. »Iss etwas, Liebling. Wenigstens ein bisschen Obst. Und hör einfach nicht hin.«
»Und dann kam da dieser Löwe vorbei . . .« Tante Maddy seufzte. »Mit herrlichem goldenem Fell. . .«
»Uuuuuh«, machte Xemerius. »Und funkelnden grünen Augen, wette ich.«
»Du hast da Filzstift im Gesicht«, sagte ich zu Nick.
»Psst«, erwiderte er. »Jetzt wird es doch gerade spannend.«
»Und als der Löwe das Herz dort liegen sah, versetzte er ihm mit seiner Pranke einen Hieb und das Herz fiel hinunter in die Schlucht, viele, viele Meter tief«, sagte Tante Maddy und griff sich dramatisch an die Brust. »Als es aufschlug, zersprang es in Hunderte von kleinen Stücken, und als ich genau hinsah, erkannte ich, dass es lauter Blutstropfen waren . . .«
Ich schluckte. Plötzlich war mir übel.
»Ups«, sagte Xemerius.
»Und weiter?«, fragte Charlotte.
»Nichts weiter«, sagte Tante Maddy. »Das war es schon -schrecklich genug.«
»Oh«, sagte Nick enttäuscht. »Es hatte so gut angefangen.«
Tante Maddy funkelte ihn ärgerlich an. »Ich schreibe ja keine Drehbücher, mein Junge!«
»Gott sei Dank«, murmelte Tante Glenda. Dann wandte sie sich zu mir um, öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
Stattdessen sprach Charlotte. »Gideon hat erzählt, dass du die Soiree gut überstanden hast. Ich muss sagen, ich bin darüber sehr erleichtert. Ich denke,
alle
sind darüber sehr erleichtert.«
Ich ignorierte sie und sah stattdessen vorwurfsvoll zum Kronleuchter hinauf.
»Ich wollte dir gestern Abend schon erzählen, dass die Streberin noch zum Abendessen bei Gideon war. Aber - wie soll ich mich ausdrücken? Du warst irgendwie ein bisschen . . . indisponiert«, sagte Xemerius.
Ich schnaubte.
»Kann ich doch nix dafür, wenn dein Funkelsteinchen sie einlädt, zum Essen dazubleiben.« Xemerius stieß sich ab und flatterte quer über den Tisch auf den leeren Platz von Tante Maddy, wo er sich aufrecht hinsetzte und den Eidechsenschwanz ordentlich um seine Füße schlang. »Ich meine, ich hätte das an seiner Stelle auch getan. Zum einen hat sie den ganzen Tag Kindermädchen für seinen Bruder gespielt und dann hat sie nebenher auch noch seine Wohnung auf Vordermann gebracht und seine Hemden gebügelt.«
»Was?«
»Wie gesagt, ich kann nichts dafür. Er war jedenfalls so dankbar, dass er gleich mal zeigen musste, wie schnell er ein Spaghettigericht für drei Personen zaubern kann . . . Mann, war der Junge gut gelaunt. Man hätte denken können, er habe irgendwas eingeworfen. Und jetzt mach den Mund wieder zu, es starren dich schon alle an.«
Das taten sie wirklich.
»Ich gehe mir jetzt das andere Auge schminken«, sagte ich.
»Und vielleicht legst du auch ein bisschen Rouge auf«, sagte Charlotte. »Nur so als Tipp.«
»Ich hasse sie!«, sagte ich. »Ich hasse sie. Ich hasse sie!«
»Herrje! Nur weil sie seine Scheißhemden gebügelt hat?« Leslie sah mich kopfschüttelnd an. »Das ist doch wirklich ... albern!«
»Er hat für sie
gekocht«,
jammerte ich. »Sie war den ganzen Tag in seiner Wohnung!«
»Ja, aber dafür hat er dich in der Kirche befummelt und abgeknutscht«, sagte Leslie und seufzte.
»Hat er nicht.«
»Ja, aber hätte er gern.«
»Er hat Charlotte auch geküsst!«
»Aber nur zum Abschied, auf die Wange!«, brüllte Xemerius mir direkt ins Ohr. »Ich glaube, wenn ich das noch einmal wiederholen muss, dann platze ich. Ich hau jetzt hier ab. Dieser Mädchenkram bringt mich noch mal um.« Mit ein paar Flügelschlägen flatterte er aufs Schuldach und machte es sich dort bequem.
»Ich will kein Wort mehr darüber hören«, sagte Leslie. »Viel wichtiger ist jetzt, dass du dich an alles erinnerst, was gestern gesagt wurde. Und damit meine ich Dinge, auf die es wirklich ankommt, du weißt schon, die, bei denen es um Leben und Tod geht!«
»Ich habe dir alles erzählt, was ich weiß«, versicherte ich ihr und rieb meine Stirn. Dank dreier Aspirin waren meine Kopfschmerzen weg, aber zurückgeblieben war ein
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