Sara & Fuxia: Das Zauberamulett (German Edition)
ich nur fliegen kann, wenn ich Fridolin bei mir habe.“
Sara hielt einen Moment inne und drehte sich lustlos zur Hexe um. „Du sollst ja nicht fliegen, sondern nur lautlos hinter mir herkommen. Das wirst du ja wohl noch schaffen?“, zischte sie zickig.
„Sind wir heute mit dem falschen Fuß aufgestanden?“, fragte Fuxia gekränkt. „Du bist doch sonst auch nicht so!“
Sara zuckte nur mit den Schultern und machte sich dann an die Verfolgung des Trolls. Fuxia blieb nichts anderes übrig, als ihr hinterher zu hasten. Die Hexe musste dazu die Zipfel ihres Rocks schnappen und ein wenig hoch halten, ansonsten wäre sie bei dem Höllentempo, das die Vampirin vorlegte, garantiert gestolpert und auf die Nase gefallen. „Naja, auch eine Möglichkeit, meine Nase zu verschandeln. Wenn ich schon keine Warze haben darf . . .“, dachte Fuxia ein wenig vergnüglicher. Die Sorge über das neue und durch und durch unangenehme Verhalten ihrer Freundin blieb aber dennoch.
5
Sara und Fuxia waren kaum im Wald verschwunden, als sich das Spektakel auf der Lichtung zu wiederholen begann. Abermals schien ein kleiner, aber kräftiger Sturm die Äste der Trauerweide wild hin und her peitschen zu lassen. Diesmal war das Ausmaß der Peitschenhiebe aber viel stärker als beim ersten Mal.
Zusätzlich braute sich über der Lichtung ein kleines Unwetter zusammen: Eine dunkle, fast rabenschwarze Wolke erschien wie aus dem Nichts und legte sich wie ein Deckel über die Lichtung. Selbst das strahlende Mondlicht konnte durch diese Wolkendecke nicht mehr durchdringen. Gleißend blaue Blitze schossen aus der Wolke in die Trauerweide, ohne ihr jedoch etwas anzuhaben. Ein Chor unheimlicher Stimmen erhob sich und schließlich stieg majestätisch eine zweite Gestalt aus dem Loch. Das heißt, vielmehr schwebte sie empor, denn es sah nicht so aus, als würde sie mit ihren Füßen oder Händen den Waldboden berühren.
Ein gigantischer Donnerschlag begleitete den Aufstieg der dunklen Figur und die Trauerweide trat respektvoll ein paar Schritte zurück, sodass sich die Gestalt nicht erst abmühen musste, zwischen ihren knorrigen Ästen durchzuzwängen. Die Erscheinung schwebte ein paar Meter in die Richtung, die die beiden Mädchen zuvor eingeschlagen hatten. Wieder kam ein Donnerschlag, aber die Figur schien weder überrascht noch erschrocken und als die ersten Regentropfen fielen, reckte sie ihr Gesicht in den bewölkten Nachthimmel. Die Nasenflügel plusterten sich auf, als die Figur tief durchatmete und schließlich erhellte ein gewaltiger Blitz abermals die Lichtung.
Im Widerschein des Lichts zeichnete sich die Gestalt der Erscheinung deutlich ab: Ein bleiches Gesicht, eingerahmt von glattem, schwarzen Haar und eine krumme Nase waren zunächst die auffälligsten Merkmale. Regen peitschte inzwischen auf die Lichtung und klatschte der eindeutig männlichen Erscheinung das Haar an die bleichen Wangen. Regen tropfte von der Hakennase auf die schmalen Lippen, aber die Gestalt leckte sie nicht ab, sondern ließ sie weiterrinnen. Ein schwarzes, eng anliegendes Hemd mit Rüschenärmeln bedeckte den Oberkörper des Mannes, eine schwarze, vom Regen glänzende Lederhose seine Beine. Um die Hüfte hatte er einen Rock gewickelt, der allerdings nicht an der Vorderseite geschlossen war. Vielmehr schmiegte er sich wie eine verkehrt herum gewickelte Schürze hinten an die Beine der Gestalt.
Ein dritter Blitz tauchte die Lichtung für einen Moment in taghelles Licht. Die Figur warf ihren Kopf in den Nacken, hob die Hände zum Himmel und schien aus vollem Herzen zu lachen. Oder zu schreien. Dabei offenbarte sie jedoch ein Merkmal, das selbst dem aufmerksamsten Beobachter bislang nicht aufgefallen wäre: Zwei lange Reißzähne, die weit aus dem Oberkiefer ragten. Selbst wenn die Gestalt, die allem Anschein nach ein Vampir war, den Mund geschlossen hatte, mussten diese langen Zähne noch weit über die Unterlippe reichen. Eigentlich direkt ein Wunder, dass er sich nicht selbst ständig ins Kinn biss.
Ein mächtiges Donnergrollen folgte dem letzten Blitz und dann verschwanden Regen und Wolke ebenso plötzlich wie sie gekommen waren. Die hässliche Fratze des Halbmonds hatte den Nachthimmel über dem St. Nimmerleins Wald wieder für sich allein und tat ihr bestes, den Wald in unheimliche Licht- und Schattenspiele zu tauchen.
Mit eleganten Schritten tänzelte der Vampir über die Lichtung. Er brach ins Dickicht und folgte fürs Erste den Spuren der beiden
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