Sara & Fuxia: Das Zauberamulett (German Edition)
angenommen hatte.
„Und wenn es ihr in der Stadt als richtiger Vampir gefällt?“
Vor dieser Frage hatten sich Titania und Mercutio schon die ganze Zeit gefürchtet. Sie mussten sich eingestehen, dass diese Möglichkeit sehr wohl bestand. Umso mehr, als sich Sara gerade in einer kritischen Phase befand. Es war ihren Eltern natürlich nicht entgangen, dass sich ihre Kleine immer wieder stolz im Spiegel betrachtet hatte – vor allem ihre immer länger werdenden Eckzähne. Titania stieß einen langen Klagelaut aus: „Dann . . .“, sagte sie schließlich mit gebrochener Stimme, „. . . haben wir sie wohl für immer verloren!“ Die Vampirin schlug die Hände vors Gesicht. Mercutio sank mutlos in seinem Sessel zurück. Gwendolin tat das, was sie jetzt als Einziges tun konnte. Sie setzte eine Tasse Wasser auf und kochte starken Brombeer-Tee für die Vampire.
17
Der Mond ging über der großen Stadt auf. Sara, Reinhard Reißzahn und Mona Moreblut blickten vom Dach des Wolkenkratzers über die riesige Stadt. Sara gefiel es hier. Die Stadt schien erst in der Nacht zu richtigem Leben zu erwachen. Überall blinkten bunte Lichter, aus den tiefen Straßenschluchten drang gedämpft Motorengeräusch zu ihr hinauf. „Autos“, hatte ihr Reißzahn erklärt, als sie das erste Mal eines dieser eigenartigen und zugleich zauberhaften Gefährte gesehen hatte. „Wer braucht schon Hexenbesen“, hatte Moreblut kühl eingeworfen. Mona war ein wunderschöner Vampir, fand Sara. Ihr blasses, ovales Gesicht war von wallendem blonden Haar eingerahmt. Eigentlich total untypisch für einen Vampir, hatte Sara für sich festgestellt. „Aber dafür umso aufregender“, hatte Mona geantwortet. „Du . . .“, meinte Sara erstaunt.
„Ja, ich kann deine Gedanken lesen“, und dabei ließ Mona ihre Vampirzähne aufblitzen. „Sie dir das einmal an!“ Mona breitete majestätisch ihre Arme aus und hob langsam vom Boden ab. Sara sah ihr mit weit aufgerissenen Augen zu. Die blonde Vampirin schwebte immer höher und begann sich langsam um die eigene Achse zu drehen. Wieder einmal war Sara schlichtweg perplex vor Erstaunen und Bewunderung. Monas Drehungen wurden immer schneller. Ihr Kleid, das dem von Sara nicht unähnlich sah, aber aus dunklem rotem Samt geschneidert war, wirbelte wild herum und die Sterne im Hintergrund machten aus dem seltsamen Tanz eine nächtliche Ballettvorführung der etwas anderen Art – mit unzähligen himmlischen Beobachtern. Eine kleine Träne der Freude löste sich aus Saras Augen. Und all das hatten ihr ihre Eltern vorenthalten! Unter ihrer Bewunderung und Begeisterung schwelte ein kleines grünes Feuer des Neids und der Verbitterung. Jahrelang hatten ihr ihre Eltern diese wunderbaren Dinge vorenthalten. Fliegen, Gedanken lesen und wer weiß, was für Offenbarungen die Stadtvampire noch für sie parat hatten?! Sara konnte einfach nicht verstehen, wie ihre Eltern dieses Leben hier aufgeben konnten und sich in den St. Nimmerleins Wald zurückziehen konnten. Hier war das pralle Leben. Nicht nur ein paar eifersüchtige Waldgeister, sondern Menschen! Echte Menschen. Jeder anders, jeder für sich wunderschön und geheimnisvoll. Und nicht zuletzt gab es hier jede Menge Vampire. Sie war jetzt nicht mehr allein, ganz im Gegenteil. Hier war sie eine von Dutzenden Vampiren. Sie war kein Außenseiter mehr, sie hatte ihr Zuhause gefunden.
Behutsam setzte Mona neben Sara auf und bückte sich zu der kleinen Vampirin. „Du bist etwas ganz Besonderes, Sara. Wir haben so lange auf dich gewartet. Hoffentlich gefällt es dir bei uns, kleine Schwester.“
„Schwester?“, fragte Sara erstaunt.
„Irgendwie sind wir alle miteinander verwandt, meine Liebe. Und es gibt noch so viel für dich zu lernen.“
„Ich weiß.“
„Aber lass dir Zeit, nur nichts überstürzen. Du bist ein anderes Leben gewöhnt. Jetzt wirst du wieder etwas Neues kennen lernen. Genieße es und entscheide dich.“
„Ich glaube, ich habe mich schon entschieden“, antwortete Sara und in ihren Augen loderte ein gefährliches Feuer. Mona grinste und Reinhard Reißzahn grinste ebenfalls. Dann verschwand Reißzahn, ohne dass Sara bemerkt hätte, dass er sich auch nur gerührt hätte. Mona bemerkte Saras überraschten Blick. „Noch eine Eigenschaft echter Vampire. Wir können uns so schnell bewegen, dass es das Auge gar nicht sieht.“
„Wo ist Reinhard hin?“
Mona grinste wieder und abermals waren die Spitzen ihrer Reißzähne gut zu sehen, „Er ist
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