Sara Linton 01 - Tote Augen
Papiere mit Tabellen und Grafiken darauf. Will öffnete die Schiebetür zur Terrasse und sah Berman, den Arm über dem Kopf, unter dem Grill sitzen.
» Sie haben nicht das Recht, mein Haus zu durchsuchen.«
» Sie sind aus Ihrem Haus geflohen. Mehr Gründe brauche ich nicht.«
Berman schien ihm diese Erklärung zu glauben, die sogar für Will recht einleuchtend klang, obwohl er wusste, dass es höchst illegal war.
Will zog sich einen Stuhl vom Tisch heran und setzte sich. Die Luft war noch immer kühl, und der Schweiß, den ihm die Jagd nach Berman auf die Haut getrieben hatte, trocknete kalt.
» Das ist nicht fair«, sagte Berman. » Ich will Ihre Kennnummer und Ihren Namen und …«
» Wollen Sie den echten Namen, oder soll ich einen erfinden, wie Sie es getan haben?«
Berman war so vernünftig, nicht zu antworten.
» Warum sind Sie davongerannt, Jake? Wohin wollten Sie in Ihrem Pyjama?«
» So weit habe ich nicht gedacht«, grummelte er. » Ich wollte im Augenblick nur keine Scherereien. Davon habe ich genug am Hals.«
» Sie haben die Wahl: Entweder Sie sagen mir, was in dieser Nacht passiert ist, oder ich bringe Sie im Pyjama ins Gefängnis.« Um der Drohung Nachdruck zu verleihen, fügte Will hinzu: » Und ich meine nicht den Coweta Country Club. Ich schaffe Sie direkt in den Atlanta-Knast, und ich gebe Ihnen nicht einmal die Zeit, sich was anzuziehen.« Er deutete auf Bermans Brust, die vor Panik und Wut bebte. Der Mann verwendete offensichtlich viel Zeit auf seinen Körper. Er war straff, die Brustmuskeln waren gut definiert, die Schultern breit und muskulös. » Sie werden sehen, dass die Klimmzüge im Fitnessstudio nicht umsonst waren.«
» Geht’s also darum? Sind Sie so ’ne Art homophober Wichser?«
» Mir ist es egal, wem Sie auf der Toilette einen blasen.« Das stimmte, obwohl er seine Stimme so gereizt klingen ließ, dass sie eher das Gegenteil andeutete. Jeder Mensch hatte einen Schalter, und Bermans war seine sexuelle Orientierung. Wills Schalter schien im Augenblick der zu sein, dass dieses betrügerische Arschloch, das da am Grillmaster 2000 hing, hinter dem Rücken seiner Frau herumvögelte und von ihr erwartete, dass sie alles akzeptierte und ihm eine liebende Partnerin war. Die Ironie des Ganzen war Will nicht entgangen.
Er sagte: » Die Jungs im Knast lieben es, wenn frisches Fleisch kommt.«
» Fick dich.«
» Oh, das werden sie. Die ficken Sie an Stellen, wo Sie gar nicht wussten, dass Sie gefickt werden können.«
» Geh zum Teufel.«
Will ließ ihn eine Weile schmollen und versuchte, seine eigenen Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Er konzentrierte sich darauf, wie viel Zeit sie mit der Suche nach diesem erbärmlichen Idioten verschwendet hatten, Zeit, die sie mit der Verfolgung echter Spuren sinnvoller hätten verwenden können. Will zählte ihm seine Vergehen auf: » Widerstand gegen die Verhaftung, Belügen der Polizei, Vergeudung von Polizeizeit, Behinderung einer Ermittlung. Dafür könnten Sie zehn Jahre bekommen, Jake, und das nur, wenn der Richter Sie mag, was ich bezweifle, wenn man bedenkt, dass Sie ein Vorstrafenregister haben und sich aufführen wie ein Arschloch.«
Nun endlich schien Berman zu begreifen, dass er in Schwierigkeiten war. » Ich habe Kinder.« In seiner Stimme lag etwas Flehendes. » Meine Söhne.«
» Ja, über die beiden habe ich in dem Verhaftungsbericht etwas gelesen, als Sie in der Mall of Georgia aufgegriffen wurden.«
Berman starrte auf den Betonboden der Veranda. » Was wollen Sie?«
» Ich will die Wahrheit.«
» Ich weiß nicht mehr, was die Wahrheit ist.«
Er tat sich nun offensichtlich wieder selbst leid. Am liebsten hätte Will ihm ins Gesicht getreten, aber er wusste, er würde damit nichts erreichen. » Sie müssen verstehen, dass ich nicht Ihr Therapeut bin, Jake. Ihre Gewissenskrise ist mir egal, und auch, dass Sie Kinder haben und Ihre Frau betrügen …«
» Ich liebe sie!«, sagte er und zeigte zum ersten Mal ein Gefühl neben dem Selbstmitleid. » Ich liebe meine Frau.«
Will nahm den Druck ein wenig zurück, versuchte, seinen Zorn unter Kontrolle zu bringen. Er konnte durchdrehen, oder er konnte sich Informationen beschaffen. Nur eines davon war der Grund für seine Anwesenheit.
Berman sagte: » Ich war mal wer. Ich hatte einen Job. Ich ging jeden Tag zur Arbeit.« Er schaute zum Haus hoch. » Ich wohnte in einem schönen Haus. Ich fuhr einen Mercedes.«
» Sie waren Bauunternehmer?«, fragte Will, obwohl
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