Sara Linton 01 - Tote Augen
Caroline ihm das bereits gesagt hatte, nachdem sie Bermans Steuererklärungen aufgetrieben hatte.
» Hochhäuser«, sagte er. » Aber der Markt brach zusammen. Ich war froh, dass ich wenigstens mit meinen Klamotten am Leib da rauskam.«
» Ist das der Grund, warum alles auf den Namen Ihrer Frau läuft?«
Er nickte langsam. » Ich war ruiniert. Vor einem Jahr zogen wir von Montgomery hierher. Es sollte ein Neustart werden, aber …« Er zuckte die Achseln, als wäre es sinnlos weiterzureden.
Will hatte sich schon gedacht, dass sein Akzent anders klang als sonst in dieser Gegend. » Stammen Sie ursprünglich von dort – aus Alabama?«
» Habe meine Frau dort kennengelernt. Wir gingen beide auf die Alabama.« Er meinte die staatliche Universität. » Lydia studierte Englisch. Es war mehr ein Hobby, bis ich meinen Job verlor. Jetzt unterrichtet sie, und ich habe tagsüber die Kinder.« Er starrte zu dem Klettergerüst hinaus, an dem die Schaukeln sich im Wind bewegten. » Ich war viel auf Reisen«, sagte er. » So bin ich meinen Drang losgeworden. Ich reiste herum und tat, was ich tun musste, und dann kam ich heim zu meiner Frau und ging in die Kirche, und so hat es fast zehn Jahre lang funktioniert.«
» Sie wurden vor sechs Monaten verhaftet.«
» Ich habe Lydia gesagt, dass es ein Fehler war. Diese ganzen Schwulen aus Atlanta, die in der Mall herumhängen und versuchen, Heteros aufzureißen. Die Polizei war ziemlich scharf, sie dachten, ich bin einer, weil … Ich weiß nicht mehr, was ich ihr gesagt habe. Weil ich einen schönen Haarschnitt hatte. Sie wollte mir glauben, und deshalb hat sie mir geglaubt.«
Will vermutete, man würde ihm verzeihen, dass seine Sympathien eher bei der Ehefrau lagen, die man belogen und betrogen hatte. » Erzählen Sie mir, was auf der 316 passiert ist.«
» Wir haben den Unfall gesehen, die Leute auf der Straße. Ich hätte hilfsbereiter sein sollen. Der andere Mann – ich kenne nicht mal seinen Namen. Er versuchte, der Frau zu helfen, die von dem Auto angefahren worden war. Ich stand einfach nur auf der Straße und dachte mir eine Lüge aus, die ich meiner Frau erzählen konnte. Sie würde mir wohl kaum noch einmal glauben, wenn es wieder passierte, egal, was ich ihr auftische.«
» Wie haben Sie ihn kennengelernt?«
» Eigentlich wollte ich mir an der Bar ein Spiel anschauen. Ich sah ihn ins Kino gehen. Er war ein gut aussehender Kerl, allein. Ich wusste, warum er da war.« Er seufzte schwer. » Ich folgte ihm auf die Toilette. Wir beschlossen, woanders hinzufahren, wo wir ungestört wären.«
Jake Berman war kein grüner Junge, und Will fragte ihn nicht, warum er vierzig Minuten gefahren war, um sich ein Spiel in einer Bar anzuschauen. Coweta mochte vielleicht tiefste Provinz sein, aber nachdem er die Interstate verlassen hatte, war er an mindestens drei Sport-Bars vorbeigefahren, und im Stadtzentrum gab es noch mehr.
Will warnte ihn: » Sie mussten doch gewusst haben, dass es gefährlich ist, einfach so zu einem Fremden ins Auto zu steigen.«
» Schätze, ich war einsam«, gab Jake zu. » Ich wollte mit jemandem zusammen sein. Sie wissen schon, bei jemandem ich selbst sein. Er meinte, wir könnten in sein Auto steigen, vielleicht ein Fleckchen irgendwo draußen im Wald finden, wo wir länger zusammen sein könnten als nur die paar Minuten in der Toilette.« Er lachte rau. » Uringeruch ist für mich nicht gerade ein Aphrodisiakum, ob Sie es glauben oder nicht.« Er schaute Will direkt an. » Finden Sie es ekelhaft, wenn ich so rede?«
» Nein«, antwortete Will aufrichtig. Er hatte schon unzählige Zeugen Geschichten über bedeutungslose Techtelmechtel und hirnlosen Sex erzählen hören. Es war dabei ziemlich unwichtig, ob es ein Mann war oder eine Frau. Die Gefühle waren ähnlich, und Wills Ziel war immer dasselbe: Die Informationen zu bekommen, die er brauchte, um einen Fall lösen zu können.
Jake wusste offensichtlich, dass Will ihm nicht mehr viel Leine lassen würde. Er sagte: » Wir fuhren die Straße entlang, und der Kerl, mit dem ich zusammen war …«
» Rick.«
» Rick. Richtig.« Jake machte ein Gesicht, als würde er den Namen des Mannes lieber gar nicht kennen. » Er stieß mich weg. Er sagte, da vor uns an der Straße sei etwas. Er bremste, und ich sah, dass es sich anscheinend um einen schweren Unfall handelte.« Er hielt inne und schien sich genau zu überlegen, was er sagen wollte, um seine Schuld in Grenzen zu halten. » Ich sagte ihm, er soll
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