Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
Storrow alles, was Sie mir erzählt haben.« Ich ließ den rosa Zettel los und stand auf. »Das genügt. Und jetzt muß ich los. Werden Sie mich anrufen und mir sagen, wie es mit ihm gelaufen ist?«
    »Natürlich.«
    Wir gingen zu meinem Auto. Dort angekommen drehte ich mich zu ihr um. Einen Augenblick dachte ich, sie würde mich umarmen und an sich drücken, eine Geste der Dankbarkeit, die in unserer momentanen Stimmung - wir waren derart aufgewühlt, daß es fast schon etwas Melodramatisches hatte - alles mögliche hätte auslösen können. Aber es war auch eine melodramatische Situation, ein Märchen, in dem es Gut
und Böse und darunter eine Menge unterdrückter Sexualität gibt.
    Dann tauchten Scheinwerfer über der Hügelkuppe auf, wo der Markt lag, und passierten die All-Purpose-Werkstatt. Sie kamen auf uns zu, wurden heller. Mattie wich zurück und verschränkte wahrhaftig die Hände hinter dem Rücken wie ein Kind, das ausgeschimpft worden ist. Das Auto fuhr vorbei, wir standen wieder im Dunkeln … aber der Augenblick war vorüber. Wenn es einen Augenblick gegeben hatte.
    »Danke für das Essen«, sagte ich. »Es war wunderbar.«
    »Danke für den Anwalt, ich bin sicher, der wird auch wunderbar sein«, sagte sie, und wir lachten beide. Die elektrisch aufgeladene Atmosphäre entspannte sich. »Er hat einmal von Ihnen gesprochen, wissen Sie. Devore.«
    Ich sah sie überrascht an. »Ich bin erstaunt, daß er überhaupt wußte, wer ich bin. Vor alledem, meine ich.«
    »Er weiß es, glauben Sie mir. Ich finde, er hat mit aufrichtiger Zuneigung von Ihnen gesprochen.«
    »Sie machen Witze. Das können Sie nicht ernst meinen.«
    »Doch. Er hat gesagt, daß Ihr Urgroßvater und sein Urgroßvater in denselben Holzfällerlagern gearbeitet hätten und Nachbarn gewesen seien, wenn sie nicht im Wald waren - ich glaube, er hat gesagt, daß es nicht weit von der Stelle entfernt war, wo heute Boyd’s Jachthafen liegt. ›Sie haben in dieselbe Latrine geschissen‹, so hat er es formuliert. Reizend, nicht? Er hat gesagt, wenn zwei Holzfäller aus dem TR Millionäre hervorbringen konnten, funktionierte das System, wie es soll. ›Auch wenn drei Generationen dazu erforderlich waren‹, sagte er. Damals hielt ich das für eine versteckte Kritik an Lance.«
    »Es ist lächerlich, wie immer er es gemeint hat«, sagte ich. »Meine Familie stammt von der Küste. Prout’s Neck. Andere Seite des Staats. Mein Dad war Fischer, und sein Vater ebenfalls. Und mein Urgroßvater. Sie haben Hummer gefangen und Netze ausgeworfen, sie haben keine Bäume gefällt.« Das alles stimmte, und doch versuchte mein Verstand, sich auf etwas zu konzentrieren, eine Erinnerung im Zusammenhang mit dem, was sie gesagt hatte. Wenn ich erst mal darüber schlief, fiel es mir vielleicht wieder ein.

    »Könnten wir über jemanden aus der Familie Ihrer Frau gesprochen haben?«
    »Nee. Es gibt Arlens in Maine - es ist eine große Familie -, aber die meisten leben noch in Massachusetts. Heutzutage sind sie in allen möglichen Branchen tätig, aber um 1880 müssen sie in der Mehrzahl als Steinmetze oder in den Steinbrüchen um Malden-Lynn gearbeitet haben. Devore hat Sie aufgezogen, Mattie.« Aber ich denke, ich habe schon zu dem Zeitpunkt gewußt, daß das nicht stimmt. Er konnte einen Teil der Geschichte durcheinandergebracht haben - selbst den klügsten Köpfen fransen die Ränder ihrer Erinnerungen aus, wenn sie fünfundachtzig werden -, aber Max Devore war nicht unbedingt jemand, der andere aufzog. Ich sah im Geiste das Bild unsichtbarer Kabel vor mir, die im TR unter der Erde verliefen - in alle Richtungen, unsichtbar, aber sehr wirksam.
    Ich hatte die Hand auf der Autotür liegen, und nun berührte Mattie sie kurz. »Kann ich Ihnen noch eine Frage stellen, bevor Sie gehen? Ich warne Sie aber, es ist eine dumme Frage.«
    »Raus damit. Dumme Fragen sind meine Spezialität.«
    »Haben Sie auch nur die geringste Ahnung, worum es in der ›Bartleby‹-Geschichte geht?«
    Ich wollte lachen, aber das Mondlicht reichte aus, um zu sehen, daß es ihr ernst war und ich ihre Gefühle verletzt hätte. Sie war ein Mitglied von Lindy Briggs’ Lesekreis (wo ich Ende der achtziger Jahre einmal eine Rede gehalten hatte), wahrscheinlich die jüngste, zwanzig Jahre jünger als alle anderen, und hatte Angst, dumm auszusehen.
    »Ich muß beim nächstenmal als erste sprechen«, sagte sie, »und würde gern mehr als nur eine Zusammenfassung der Geschichte geben, um zu zeigen,

Weitere Kostenlose Bücher