Sara
Feministinnen behaupten hören, daß für Männer Sex und ihr Revier austauschbar sind, aber das ist sehr weit entfernt von der Wahrheit.
Ich watschelte ins Arbeitszimmer zurück, machte die Tür auf, und das Telefon hinter mir läutete wieder. Und das war ein anderes vertrautes Gefühl, das nach vier Jahren endlich wieder einmal auf eine Stippvisite vorbei kam: diese Wut auf das Telefon, der Drang, es einfach aus der Wand zu reißen und quer durch das Zimmer zu werfen. Warum mußte alle Welt anrufen, wenn ich am Schreiben war? Warum konnten sie mich nicht einfach … nun … machen lassen, was ich wollte?
Ich lachte zweifelnd, ging zum Telefon zurück und sah meinen feuchten Handabdruck vom letzten Gespräch darauf.
»Hallo?«
»Ich habe gesagt, Sie sollen immer gut sichtbar bleiben, wenn Sie bei ihr sind.«
»Auch Ihnen einen guten Morgen, Anwalt Storrow.«
»Sie müssen da unten in einer anderen Zeitzone sein, Kumpel. Hier in New York haben wir Viertel nach eins.«
»Ich war zum Abendessen bei ihr«, sagte ich. »Im Freien. Stimmt, ich habe dem kleinen Mädchen eine Geschichte vorgelesen und geholfen, sie ins Bett zu bringen, aber -«
»Ich könnte mir denken, die halbe Stadt ist inzwischen davon überzeugt, daß Sie beide sich besinnungslos vögeln, und die andere Hälfte wird davon überzeugt sein, wenn ich für sie vor Gericht erscheinen muß.« Aber er hörte sich nicht richtig wütend an; ich fand, er hörte sich an, als hätte er einen glücklichen Tag.
»Kann man Sie zwingen zu sagen, wer Sie bezahlt?« fragte ich. »Ich meine bei der Sorgerechtsverhandlung.«
»Nee.«
»Bei meiner Anhörung am Freitag?«
»Himmel, nein. Durgin würde jegliche Glaubwürdigkeit als Vormund ad litem verlieren, wenn er diese Richtung einschlagen würde. Außerdem haben sie Gründe, das Thema Sex zu meiden. Sie konzentrieren sich darauf, daß Mattie ihr Kind vernachlässigt, möglicherweise mißhandelt. Zu beweisen, daß Mom keine Nonne ist, funktioniert etwa seit der Zeit nicht mehr, als Kramer gegen Kramer in die Kinos gekommen ist. Und das ist nicht das einzige Problem, das sie mit dem Thema haben.« Jetzt hörte er sich eindeutig freudestrahlend an.
»Heraus damit.«
»Max Devore ist fünfundachtzig und geschieden. Sogar zweimal geschieden. Bevor man einem Mann seines Alters das Sorgerecht überträgt, muß das sekundäre Sorgerecht in Erwägung gezogen werden. Das ist tatsächlich das wichtigste Thema, abgesehen von den Vorwürfen der Vernachlässigung und des Mißbrauchs gegen die Mutter.«
»Was sind das für Vorwürfe? Haben Sie eine Ahnung?«
»Nein. Mattie auch nicht, weil sie frei erfunden sind. Sie ist übrigens ein Schatz -«
»Ja, das ist sie.«
»- und ich denke, sie wird eine großartige Zeugin abgeben. Ich kann kaum erwarten, sie persönlich kennenzulernen. Aber lenken Sie mich nicht ab. Wir haben über das sekundäre Sorgerecht gesprochen, richtig?«
»Richtig.«
»Devore hat eine Tochter, die für geistig unzurechnungsfähig erklärt wurde und irgendwo in einer Anstalt in Kalifornien sitzt - Modesto, glaube ich. Nicht gut für das Sorgerecht.«
»Sollte man meinen.«
»Der Sohn, Roger, ist …« Ich hörte das leise Rascheln von Blättern eines Notizblocks. »… vierundfünfzig. Also ist er auch kein junger Hüpfer mehr. Dennoch gibt es heutzutage eine Menge Typen, die in dem Alter Daddy werden; wir haben eine schöne neue Welt. Aber Roger ist homosexuell.«
Ich dachte daran, wie Bill Dean sagte: Warmer Bruder. Soweit ich weiß, gibt es davon eine ganze Menge in Kalifornien .
»Ich dachte, Sex spielt keine Rolle.«
»Vielleicht hätte ich sagen sollen, Heteros ex spielt keine Rolle. In gewissen Staaten - Kalifornien gehört dazu - spielt auch Homo sex keine Rolle … jedenfalls nicht sehr. Aber dieser Fall wird nicht in Kalifornien verhandelt. Er wird in Maine verhandelt, wo die Leute nicht ganz so gut Bescheid wissen, wie gut zwei verheiratete Männer - miteinander verheiratet, meine ich - ein kleines Mädchen großziehen können.«
»Roger Devore ist verheiratet? « Okay, ich gebe es zu. Jetzt verspürte ich selbst ein gewisses schauderhaftes Entzücken. Ich schämte mich dafür - Roger Devore war nur ein Typ, der
sein Leben lebte, und er hatte nicht viel oder gar nichts mit den momentanen Absichten seines alten Vaters zu tun -, aber ich empfand trotzdem so.
»Er und ein Softwareentwickler namens Morris Ridding haben sich 1996 das Ja-Wort gegeben«, sagte John. »Das habe ich
Weitere Kostenlose Bücher