Sara
und ein Courier-Kugelkopf die ganze Zeit die Lösung gewesen? Es machte jedenfalls den Eindruck.
Was herausgekommen war, war ebenfalls erstaunlich. Während meiner vierjährigen Pause hatte ich Ideen gehabt; in diesen Bereich hatte sich die Schreibblockade nicht erstreckt. Eine war richtig gut gewesen, und es wäre bestimmt ein Roman daraus geworden, wenn ich imstande gewesen wäre, Romane zu schreiben. Ein halbes Dutzend bis ein Dutzend gehörten in meine Kategorie ›ziemlich gut‹, was bedeutet, in der Not würden sie genügen … oder wenn sie über Nacht auf geheimnisvolle Weise wuchsen, so wie Jacks Bohnenranke. Das passiert manchmal. Die meisten waren Fünkchen, kleine ›Was-wäre-wenns‹, die kamen und gingen wie Sternschnuppen, wenn ich Auto fuhr oder spazierenging oder nur nachts vor dem Einschlafen im Bett lag.
Der Mann im roten Hemd war ein ›Was-wäre-wenn‹. Eines Tages sah ich einen Mann im roten Hemd, der das Schaufenster des J.-C.-Penny-Geschäfts in Derry putzte - das war nicht lange bevor das Penny ins Einkaufszentrum umzog. Ein junger Mann und eine junge Frau gingen unter seiner Leiter hindurch … was einem alten Aberglauben zufolge Unglück bringen soll. Diese beiden wußten jedoch gar nicht, wo sie gerade gingen - sie hielten Händchen, sahen sich tief in die Augen und waren so verliebt, wie es zwei Zwanzigjährige auf dieser Welt nur sein können. Der Mann war groß, und er streifte mit dem Kopf vor meinen Augen um ein Haar die Füße des Fensterputzers. Hätte er es getan, wäre womöglich die ganze Leiter umgekippt.
Die gesamte Episode dauerte fünf Sekunden. Ich brauchte fünf Monate, um Der Mann im roten Hemd zu schreiben. Aber in Wahrheit war das ganze Buch in einer einzigen Was-wäre-wenn-Sekunde fertig. Ich stellte mir einen Zusammenstoß vor. Von da an folgte alles andere automatisch. Das Schreiben war reine Tipparbeit.
Die Idee, an der ich gerade arbeitete, gehörte nicht zu Mikes ›Wirklich Grandiosen Ideen‹ (Jos Stimme setzte die Großbuchstaben mit Bedacht), aber sie war auch kein ›Was-wärewenn‹. Und sie hatte auch wenig Ähnlichkeit mit meinen alten romantischen Schauergeschichten. Diesmal war keine Spur von V. C. Andrews mit Pimmel zu sehen. Aber mir kam die Geschichte solide vor, wahrhaftig, und heute morgen war sie so natürlich aus mir herausgeströmt wie ein Atemzug.
Andy Drake war Privatdetektiv auf Key Largo. Er war vierzig Jahre alt, geschieden, Vater eines dreijährigen Mädchens. Zu Beginn befand er sich im Haus einer Frau namens Regina Whiting auf Key West. Mrs. Whiting hatte ebenfalls eine kleine Tochter, fünf Jahre alt. Mrs. Whiting war mit einem außerordentlich reichen Bauunternehmer verheiratet, der nicht wußte, was Andy Drake wußte: daß Regina Taylor Whiting bis 1992 Tiffany Taylor gewesen war, ein Luxus-Callgirl in Miami.
Soviel hatte ich geschrieben, bevor das Telefon läutete. Folgendes wußte ich über diesen Punkt hinaus, es war die Tipparbeit,
die ich im Lauf der nächsten Wochen erledigen würde, vorausgesetzt, meine auf wundersame Weise wiedererlangte Fähigkeit zu arbeiten hielt an:
Eines Tages, als Karen Whiting drei Jahre alt war, läutete das Telefon, als sie und ihre Mutter im Whirlpool auf der Terrasse saßen. Regina überlegte, ob sie den Gärtner bitten sollte, den Hörer abzunehmen, beschloß aber dann, es selbst zu tun - der Mann, der sich normalerweise um den Garten kümmerte, lag mit Grippe im Bett, und sie fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, einen Fremden um einen Gefallen zu bitten. Regina ermahnte ihre Tochter, ruhig sitzen zu bleiben, und stieg aus dem Pool, um ans Telefon zu gehen. Als Karen die Hand hob, um nicht naßgespritzt zu werden, während ihre Mutter den Pool verließ, fiel ihr die Puppe, die sie gerade badete, ins Wasser. Als sie sich bückte, um die Puppe aufzuheben, verfingen sich ihre Haare in einem der starken Ansaugventile des Whirlpools. (Ich hatte vor zwei oder drei Jahren von einem derartigen tödlichen Unfall gelesen, und das war der eigentliche Auslöser für die Geschichte.)
Der Gärtner, irgendein Mann im Khakihemd, den eine Zeitarbeitsagentur geschickt hatte, bekam mit, was passierte. Er rannte durch den Garten, hechtete kopfüber in den Pool, zerrte das Kind vom Boden hoch und ließ dabei einige Haare und ein gutes Stück Kopfhaut zurück, die die Düse verstopften. Er machte Mund-zu-Mund-Beatmung, bis das Mädchen wieder atmete. (Das würde eine wunderbar spannende Szene werden, und
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