Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
oder verstörter gewesen wäre. Und ich glaube, von diesem Augenblick an war alles so gut wie vorherbestimmt. Von da bis zu jenem schrecklichen Sturm, von dem in diesem Teil der Welt noch alle sprechen, ging alles bergab wie eine Lawine.
    Den restlichen Freitag nachmittag ging es mir prima - nach dem Gespräch mit Bonnie blieben viele Fragen offen, aber es war trotzdem ein Labsal gewesen. Ich machte mir einen Gemüseauflauf (Buße für meinen letzten Kopfsprung in die Friteuse des Village Café) und aß ihn, während ich mir die Abendnachrichten ansah. Auf der anderen Seite des Sees sank die Sonne den Bergen entgegen und überflutete das Wohnzimmer mit goldenem Licht. Als Tom Brokaw den Laden dichtmachte, beschloß ich, auf der Straße einen Spaziergang nach Norden zu machen - ich würde so weit gehen, daß ich vor Einbruch der Dunkelheit wieder zu Hause wäre, und unterwegs über das nachdenken, was Bill Dean und Bonnie Amudson zu mir gesagt hatten. Ich würde so über sie nachdenken, wie ich manchmal beim Spazierengehen über Knoten im Handlungsverlauf des Buches nachdachte, an dem ich gerade arbeitete.
    Als ich die Stufen aus Eisenbahnschwellen hinunterging fühlte ich mich immer noch gut (verwirrt, aber gut), wandte mich auf der Straße nach Norden, blieb aber nach wenigen Schritten stehen und betrachtete die Grüne Lady. Auch wenn das Abendlicht frontal darauf schien, konnte man sie kaum als das erkennen was sie in Wirklichkeit war - nur eine Birke mit einer halb abgestorbenen Kiefer dahinter, deren trockener Ast einen ausgestreckten Arm bildete. Es war, als würde die Grüne Lady sagen, geh nach Norden, junger Mann, geh nach Norden. Nun, ich war nicht gerade jung, aber ich konnte nach Norden gehen. Zumindest eine Weile.

    Und doch blieb ich noch einen Moment stehen und betrachtete unsicher das Gesicht, das ich in den Büschen sah, und mir gefiel nicht, wie das sanfte Zittern einer Brise das fast exakte Ebenbild eines Mundes höhnisch grinsen ließ. Ich glaube, schon da wurde mir ein wenig mulmig, aber ich war zu sehr in Gedanken, um es zu bemerken. Ich ging wieder nach Norden los und fragte mich, was genau Jo geschrieben haben könnte … denn inzwischen glaubte ich, daß sie doch etwas geschrieben haben könnte. Warum sonst hätte ich meine alte Schreibmaschine in ihrem Atelier finden sollen? Ich würde das Atelier durchsuchen, beschloß ich. Ich würde es gründlich durchsuchen und … hilf ich ertrink
    Die Stimme kam aus dem Wald, dem Wasser, mir selbst. Eine Woge des Schwindelgefühls lief durch meine Gedanken, hob sie empor und verstreute sie wie Blütenblätter im Wind. Ich blieb stehen. Plötzlich hatte ich den Eindruck, mich noch niemals in meinem Leben so schlecht, so enttäuscht gefühlt zu haben. Meine Brust war zusammengeschnürt. Mein Magen schloß sich wie eine kalte Blüte. Kaltes Wasser schoß mir in die Augen, das keine Ähnlichkeit mit Tränen hatte, und ich wußte, was mir bevorstand. Nein , versuchte ich zu sagen, brachte das Wort aber nicht heraus.
    Statt dessen füllte sich mein Mund mit dem kalten Geschmack von Seewasser mit seinen dunklen Mineralien, und plötzlich flimmerten die Bäume vor meinen Augen, als würde ich sie durch klare Flüssigkeit hindurch sehen; der Druck auf meiner Brust war erschreckend deutlich geworden und hatte die Form von Händen angenommen. Sie drückten mich hinunter.
    »Wird es nicht aufhören damit?« fragte jemand - schrie es fast. Außer mir hielt sich niemand auf der Straße auf, und doch hörte ich diese Stimme deutlich. »Wird es niemals aufhören damit?«
    Als nächstes kam keine Stimme von außen, sondern fremde Gedanken tummelten sich in meinem eigenen Kopf. Sie klatschten gegen meine Schädelwände wie Falter, die in einer Lampe gefangen waren … oder in einem Lampion.

    hilf ich ertrink
hilf ich ertrink
Mann mit blauer Mütz sagt fang mich
Mann mit blauer Mütz sagt läßt mich nich gehn
hilf ich ertrink
hab meine Beeren verlorn sin aufm Weg
er hält mich
sein Gesicht schimmert un sieht bös
laß mich rauf laß mich rauf Oh gütiger Gott laß mich rauf
Spiel vorbei vorbei das Spiel kommt alle raus jetzt, BITTE
SPIEL VORBEI du hör jetzt damit auf DAS SPIEL IST AUS
sie schreit mein Namen
sie schreit ihn so LAUT
    Ich beugte mich in nackter Panik nach vorne, machte den Mund auf, und aus meinem klaffenden, aufgerissenen Mund kam ein kalter Schwall …
    Gar nichts.
    Das Grauen hörte auf und hörte doch nicht auf. Mir war immer noch durch und

Weitere Kostenlose Bücher