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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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dürfen.«
    Wieder benutzte er die Hand, die er nicht um den roten Griff des Stocks gekrallt hatte, hob die Sauerstoffmaske auf, inhalierte tief und ließ sie wieder auf den Schoß fallen. Er grinste - ein unsagbar verschwörerisches Grinsen, bei dem jodfarbenes Zahnfleisch zu sehen war.
    »Ist sie gut? Ihre kleine Huuurrre? Sie muß gut gewesen sein, wenn sie meinen Sohn in diesem häßlichen kleinen Wohnwagen gefangenhalten konnte, in dem sie haust. Und dann kommen Sie daher, noch bevor die Würmer mit den Augen meines Jungen fertig sind. Flutscht ihre Fotze?«
    »Halten Sie den Mund.«

    Rogette Whitmore warf den Kopf zurück und lachte. Das Geräusch hörte sich an wie der Schrei eines Kaninchens in den Krallen einer Eule; ich bekam eine Gänsehaut. Ich hatte den Verdacht, daß sie so verrückt war wie er. Gott sei Dank waren sie alt. »Du hast einen wunden Punkt getroffen, Max«, sagte sie.
    »Was wollen Sie?« Ich holte Luft … und bekam wieder einen Schwall dieses Verwesungsgeruchs ab. Ich würgte. Ich wollte nicht, konnte aber nichts dagegen tun.
    Devore richtete sich in seinem Stuhl auf und holte tief Luft, als wollte er mich verspotten. In diesem Augenblick sah er aus wie Robert Duvall in Apocalypse Now , der am Strand entlangschlendert und der Welt erzählt, wie sehr er den Geruch von Napalm am Morgen liebt. Sein Grinsen wurde breiter. »Hübsches Plätzchen hier, nicht? Ein idyllisches Fleckchen, um zu verweilen und nachzudenken, finden Sie nicht auch?« Er sah sich um. »Hier ist es passiert, genau. Jau.«
    »Wo der Junge ertrunken ist.«
    Ich dachte, daß Whitmores Lächeln daraufhin ein wenig nervös aussah. Devores Grinsen nicht. Er streckte die Hand mit dem übertriebenen Griff eines alten Mannes, mit Fingern, die mehr klauben als greifen, nach der Sauerstoffmaske aus. Ich konnte kleine Schleimklümpchen an der Innenseite kleben sehen. Er atmete wieder tief ein und legte sie weg.
    »Dreißig Leute oder mehr sind in diesem See ertrunken, und das sind nur die, von denen man weiß«, sagte er. »Was spielt ein Junge mehr oder weniger für eine Rolle?«
    »Ich verstehe nicht. Sind zwei Tidwell-Jungs hier gestorben? Einer mit Blutvergiftung und einer -«
    »Liegt Ihnen etwas an Ihrer Seele, Mr. Noonan? Ihrer unsterblichen Seele? Gottes Schmetterling, in einem Kokon aus Fleisch gefangen, das bald stinken wird wie meines?«
    Ich sagte nichts. Das seltsame Gefühl, das mich vor Devores Auftauchen befallen hatte, klang ab. An seine Stelle trat dieser unglaubliche persönliche Magnetismus. Ich habe nie in meinem Leben eine derart rohe Kraft gespürt. Es hatte nichts Übernatürliches, und roh ist genau das richtige Wort dafür. Ich hätte weglaufen können. Ich bin sicher, unter anderen Umständen hätte ich es getan. Ganz sicher hielt ich die Stellung
nicht aus Tapferkeit; meine Beine fühlten sich immer noch wie Gummi an, und ich befürchtete, daß ich hinfallen könnte.
    »Ich werde Ihnen eine Chance geben, Ihre Seele zu retten«, sagte Devore. Er hob einen knochigen Finger, um das Prinzip der Eins zu verdeutlichen. »Gehen Sie fort, mein kleiner Hurenbock. Gleich jetzt, in den Kleidungsstücken, die Sie am Leib tragen. Holen Sie keine Tasche, vergewissern Sie sich nicht einmal, ob Sie die Herdplatten ausgeschaltet haben. Gehen Sie. Verlassen Sie die Hure und verlassen Sie das Hürchen.«
    »Ich soll sie Ihnen überlassen?«
    »Jau, mir. Ich werde tun, was getan werden muß. Seelen sind für Studenten der freien Künste, Noonan. Ich war Ingenieur.«
    »Ficken Sie sich ins Knie.«
    Rogette Whitmore gab wieder dieses Geräusch eines schreienden Kaninchens von sich.
    Der alte Mann saß mit gesenktem Kopf in seinem Rollstuhl, lächelte bläßlich zu mir auf und sah aus wie etwas, das von den Toten auferweckt worden ist. »Sind Sie sicher, daß Sie derjenige sein wollen, Noonan? Ihr ist das gleichgültig, wissen Sie - Sie oder ich, für sie spielt das keine Rolle.«
    »Ich weiß nicht, was Sie da reden.« Ich holte wieder tief Luft, und diesmal roch die Luft ganz normal. Ich ging einen Schritt von der Birke weg, und mit meinen Beinen war auch alles in Ordnung. »Und es ist mir auch egal. Sie werden Kyra niemals bekommen. Für den Rest Ihres schäbigen Lebens nicht. Das werde ich nicht erleben.«
    »Kumpel, Sie werden eine ganze Menge erleben«, sagte Devore grinsend und zeigte mir sein jodfarbenes Zahnfleisch. »Bevor der Juli vorbei ist, werden Sie wahrscheinlich soviel gesehen haben, daß Sie sich wünschen,

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