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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Ende der Welt? Also bitte. Es ist ja nicht so, daß ich Frau und Kinder ernähren müßte - meine Frau starb auf dem Parkplatz einer Drogerie, wenn’s recht ist (und auch, wenn’s nicht recht ist), und das Kind, das wir uns so sehr gewünscht haben und so lange zeugen wollten, mit ihr. Ich giere auch nicht nach Ruhm - falls man von Schriftstellern auf den unteren Plätzen der Times- Bestsellerliste sagen kann, daß sie berühmt sind -, und ich schlafe nicht ein und träume von Buchclub-Verkaufsziffern. Warum also? Warum kümmert es mich überhaupt?
    Aber die letzte Frage konnte ich beantworten. Weil es so war, als würde ich aufgeben. Weil ich ohne meine Frau und meine Arbeit ein überflüssiger Mann war, der allein in einem großen Haus lebte, das abbezahlt war, und nichts anderes tat, als beim Mittagessen das Kreuzworträtsel in der Zeitung zu lösen.
     
    Ich machte weiter mit dem, was als mein Leben gelten mochte. Ich vergaß Sara Lacht (oder ein Teil von mir, der nicht dorthin wollte, begrub den Gedanken) und verbrachte einen weiteren drückend heißen, elenden Sommer in Derry. Ich spielte ein Kruziverbalprogramm auf mein PowerBook und fing an, meine eigenen Kreuzworträtsel zu machen. Ich nahm eine zeitlich befristete Stelle im Vorstand des hiesigen CVJM an und wurde Preisrichter des sommerlichen Kunstwettbewerbs in Waterville. Ich machte eine Reihe von Fernsehwerbespots für das örtliche Obdachlosenasyl, das kurz vor dem Bankrott stand, und saß eine Zeitlang dort im Vorstand. (Bei einer öffentlichen Versammlung dieses letzteren Gremiums
bezeichnete mich eine Frau als Freund von Untermenschen, worauf ich erwiderte: »Danke! Das habe ich gebraucht.« Daraufhin erhielt ich lauten Applaus, den ich immer noch nicht verstehe.) Ich versuchte es mit einer Therapie, gab aber nach fünf Sitzungen wieder auf, weil ich zu dem Ergebnis kam, daß die Probleme des Therapeuten weitaus schlimmer waren als meine. Ich unterstützte ein Kind in Asien und trat einem Bowlingclub bei.
    Manchmal versuchte ich zu schreiben und verfiel jedesmal in eine Starre. Als ich einmal einen oder zwei Sätze aus mir herauszwingen wollte (irgendwelche Sätze, solange sie nur frischgebacken aus meinem eigenen Kopf kamen), mußte ich mir den Papierkorb schnappen und mich hinein übergeben. Ich übergab mich, bis ich glaubte, es würde mich umbringen … und mußte buchstäblich vom Schreibtisch und dem Computer wegkriechen und mich auf Händen und Knien über den dicken Teppich schleppen. Als ich die andere Seite des Zimmers erreicht hatte, war es besser. Ich konnte nicht einmal über die Schulter zum Monitor sehen. Ich konnte nicht in seine Nähe. Im Lauf des Tages ging ich noch einmal mit geschlossenen Augen hin und schaltete ihn ab.
    In jenen Spätsommertagen dachte ich immer öfter an Dennison Carville, meinen Professor für kreatives Schreiben, der mich mit Harold bekannt gemacht und Zweisamkeit mit seinem verhaltenen Lob verdammt hatte. Carville hatte einmal etwas gesagt, das ich nie vergessen habe, und es Thomas Hardy zugeschrieben, dem viktorianischen Romancier und Dichter. Vielleicht hat Hardy es gesagt, aber ich fand es nie bestätigt, weder im Bartlett’s noch in der Biographie Hardys, die ich zwischen der Veröffentlichung der Romane Von ganz oben und Gefährliche Neigung gelesen hatte. Ich hege den Verdacht, daß Carville es selbst erfunden und Hardy in den Mund gelegt haben könnte, um ihm mehr Gewicht zu geben. Ein Schachzug, zu dem ich selbst schon das eine oder andere Mal gegriffen habe, wie ich zu meiner Schande gestehen muß.
    Wie dem auch sei, ich dachte mehr und mehr an dieses Zitat, während ich mit der Panik in meinem Körper und dem Gefühl des Eingefrorenseins in meinem Kopf kämpfte, diesem
schrecklichen Gefühl der Starre . Es schien meine Verzweiflung und die wachsende Gewißheit auszudrücken, nie wieder schreiben zu können (welch eine Tragödie, V. C. Andrews mit Pimmel von einer Schreibblockade zu Fall gebracht). Dieses Zitat deutete an, daß alle Anstrengungen, meine Situation zu verbessern, vergeblich sein könnten, selbst wenn ich Erfolg hatte.
    Dem mürrischen alten Dennison Carville zufolge sollte der angehende Schriftsteller von Anfang an verstehen, daß die Ziele der Dichtung auf ewig außerhalb seiner Reichweite lagen, sein Job mithin eine Übung in Vergeblichkeit sei. »Verglichen mit dem dümmsten menschlichen Wesen, welches tatsächlich auf Erden wandelt und seinen Schatten wirft«, hat Hardy

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