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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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schmollen und sagen, daß der Schachzug auch in deinem Interesse ist. Sogar vorwiegend in deinem Interesse. Aber aufgrund des Arguments der zusätzlichen Arbeit … der Nachtschichten, die du einlegen mußt …«
    »Die geistige Qual der Schöpfung … die Schmerzen der verfrühten Geburt …«
    »Genau … genau … Ich finde, eine Prämie von zehn Prozent hört sich genau richtig an.« Er sagte es wohlüberlegt, wie ein Mann, der sich bemüht, so verdammt fair zu sein, wie er nur kann. Ich persönlich fragte mich, wie viele Mütter die Geburt einen Monat oder so früher einleiten würden, wenn sie dafür zwei- oder dreihundert Riesen bezahlt bekommen würden. Manche Fragen bleiben wahrscheinlich besser unbeantwortet.
    Und was spielte es in meinem Fall schon für eine Rolle? Das gottverdammte Ding war schon geschrieben, richtig?
    »Sieh zu, ob du das Geschäft abschließen kannst«, sagte ich.
»Ja, aber ich denke, wir sollten hier nicht über ein einziges Buch sprechen, okay? Ich finde -«
    »Harold, im Augenblick möchte ich nur etwas essen.«
    »Du hörst dich ein bißchen nervös an, Michael. Ist alles -«
    »Alles ist bestens. Rede mit ihnen nur über ein Buch, mit einem Bonus dafür, daß ich die Produktion auf meiner Seite beschleunige. Okay?«
    »Okay«, sagte er nach einer seiner vielsagenden Pausen. »Aber ich hoffe, das bedeutet nicht, daß du nicht später über einen Vertrag über drei oder vier Bücher nachdenken solltest. Schmiede das Eisen, solange es heiß ist, vergiß das nicht. Das ist das Motto der Sieger.«
    »Eins nach dem anderen ist das Motto der Sieger«, sagte ich, und in dieser Nacht träumte ich, ich sei wieder nach Sara Lacht gegangen.
     
    In diesem Traum - in allen Träumen, die ich in jenem Herbst und Winter hatte - gehe ich den Weg zur Hütte hinauf. Der Weg ist eine Schleife von zwei Meilen durch den Wald, deren Ende an der Route 68 liegt. Er hat eine Nummer an beiden Enden (Lane zweiundvierzig, wenn es eine Rolle spielt), falls man die Feuerwehr rufen muß, aber keinen Namen. Und Jo und ich haben ihm nie einen gegeben, nicht einmal unter uns. Er ist schmal, kaum mehr als zwei Reifenspuren, zwischen denen Timotheusgras und Quecke wächst. Wenn man zur Hütte fährt, kann man dieses Gras wie leise Stimmen am Unterboden des Wagens flüstern hören.
    Aber in dem Traum fahre ich nicht. Ich fahre niemals. In diesen Träumen gehe ich zu Fuß.
    Die Bäume drängen auf beiden Seiten dicht an den Weg. Der dunkle Himmel darüber ist wenig mehr als ein schmaler Streifen. Bald werde ich die ersten Sterne funkeln sehen können. Es ist nach Sonnenuntergang. Grillen zirpen. Eistaucher rufen über den See. Kleine Tiere - Backenhörnchen oder vereinzelte Eichhörnchen - rascheln im Wald.
    Nun komme ich zu einer ungepflasterten Einfahrt, die rechts von mir bergab führt. Es ist unsere Einfahrt mit dem kleinen Holzschild, auf dem SARA LACHT steht. Ich stehe oben,
gehe aber nicht hinunter. Unten liegt das Haus. Eine Blockhütte mit Anbauten, hinten eine Veranda über dem See. Alles in allem vierzehn Zimmer, eine lächerliche Anzahl von Zimmern. Sollte häßlich und klobig aussehen, tut es aber irgendwie nicht. Sara hat etwas von einer wackeren Königinmutter an sich, das Aussehen einer Lady, die resolut ihrem hundertsten Geburtstag entgegengeht und trotz der arthritischen Hüften und der ausgeleierten alten Knie noch kräftige Schritte macht.
    Der Mittelteil ist der älteste und entstand um 1900. In den dreißiger, vierziger und sechziger Jahren wurden Anbauten hinzugefügt. Einmal war es eine Jagdhütte; Anfang der siebziger Jahre diente es vorübergehend einer kleinen Kommune transzendentaler Hippies als Unterkunft. Immer auf Mietbasis; von Ende der vierziger Jahre bis 1984 waren die Hingermans die Besitzer, Darren und Marie … dann Marie allein, als Darren 1971 starb. Der einzig sichtbare Anbau aus unserer Zeit ist die winzige DSS-Schüssel auf dem mittleren Dachfirst. Das war Johannas Idee, und sie kam nie wirklich in den Genuß.
    Hinter dem Haus schimmert der See im Nachglühen des Sonnenuntergangs. Ein Teppich brauner Kiefernnadeln bedeckt die Einfahrt, sehe ich, übersät mit herabgefallenen Zweigen. Die Büsche auf beiden Seiten wuchern und strecken über die schmale Kluft hinweg die Zweige nacheinander aus wie Liebende. Würde man mit dem Auto hinunterfahren, würden die Äste unangenehm an den Seiten kratzen und schleifen. Unten sehe ich Moos auf den Stämmen des Hauptgebäudes wachsen, drei

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