Sara
Song aus der Zeit heißt. Ihr Schatten schwankte auf der Leinwandbespannung hinter ihr, die ein Gemälde von Fryeburg zeigte, und als ich hinsah, erblickte ich die Gestalt aus meinen Manderley-Träumen. Es war natürlich Sara. Sara war die Gestalt und war es immer gewesen.
Nein, Mike. Nahe dran, aber es stimmt nicht ganz.
Richtig oder falsch, ich hatte genug. Ich drehte mich um, legte die Hand auf Kis Hinterkopf und drückte ihr Gesicht an meine Brust. Sie hatte mittlerweile beide Arme um meinen Hals geschlungen und klammerte sich voller Panik fest.
Ich dachte, ich müßte mich durch die Menge zurück drängen - sie hatten mich bereitwillig hineingelassen, aber hinaus ließen sie mich vielleicht nicht so liebenswürdig. Macht mir keinen Ärger, Leute , dachte ich. Ihr würdet es bedauern .
Und sie machten keinen. Auf der Bühne hatte Son Tidwell die Band von E auf G gebracht, jemand schlug das Tambourin, und Sara wechselte fließend von ›Fishin Blues‹ zu ›Dog my Cats‹. Hier draußen, vor der Bühne und darunter, wich die Menge erneut vor mir und meinem kleinen Mädchen zurück, ohne uns anzusehen oder einen Takt auszulassen, während sie in die von der Arbeit geschwollenen Hände klatschten. Ein junger Mann mit einem portweinfarbenen Fleck auf der Wange machte den Mund auf - mit zwanzig fehlte ihm bereits die Hälfte der Zähne - und bellte » Jii-HAA!« um einen halb aufgelösten Klumpen Tabak herum. Es war Buddy Jellison aus dem Village Café, wurde mir klar … Buddy Jellison, der mit seinen achtundsechzig auf magische Weise wieder zwanzig geworden war. Dann fiel mir auf, daß seine Haarfarbe nicht stimmte - Hellbraun statt Schwarz (obwohl er auf die Siebzig zuging und man es ihm in jeder anderen Hinsicht ansah, hatte Bud kein einziges weißes Haar auf dem Kopf). Das war Buddys Großvater, vielleicht sogar sein Urgroßvater. Was mir so oder so scheißegal war. Ich wollte nur raus hier.
»Entschuldigung«, sagte ich und schob mich an ihm vorbei.
»Es gibt keinen stadtbekannten Trunkenbold hier, du zudringlicher Hurensohn«, sagte er, ohne mich anzusehen oder beim Klatschen aus dem Takt zu kommen. »Wir wechseln uns ab.«
Ich träume also doch , dachte ich. Es ist ein Traum, und dies ist der Beweis dafür.
Aber der Tabakgeruch in seinem Atem war kein Traum, der Geruch der Menge war kein Traum, und das Gewicht des ängstlichen Kindes auf meinen Armen war auch kein Traum. Mein Hemd war heiß und naß, wo sie das Gesicht darauf preßte. Sie weinte.
»He, Ire!« rief Sara von der Bühne, und ihre Stimme glich so sehr der von Jo, daß ich schreien wollte. Sie wollte, daß ich mich umdrehte - ich konnte ihre Willenskraft wie Finger an meinem Gesicht spüren -, aber ich wollte nicht.
Ich wich drei Farmern aus, die eine Keramikflasche von Hand zu Hand gehen ließen, dann hatte ich die Menge hinter mir gelassen. Vor mir lag der Mittelweg, so breit wie die Fifth Avenue, und am Ende der Torbogen bei der Treppe, die Straße , der See. Zu Hause. Wenn ich es bis zur Straße schaffen würde, wären wir in Sicherheit. Das wußte ich genau.
»Fast fertig, Ire!« kreischte Sara hinter mir her. Sie hörte sich wütend an, aber nicht zu wütend, um zu lachen. »Du wirst bekommen, was du willst, Sugar, allen Trost, den du brauchst, aber du solltest mich meine Angelegenheit zu Ende bringen lassen. Hast du gehört, Junge? Halt dich einfach raus! Hör auf mich!«
Ich lief schnell den Weg zurück, auf dem ich gekommen war, streichelte Kis Kopf und hielt ihr Gesicht weiter an mein Hemd gedrückt. Ihr Strohhut fiel herunter, und als ich danach griff, bekam ich nur das Hutband zu fassen, das sich von der Krempe löste. Egal. Wir mußten hier raus.
Links von uns lag das Baseballfeld, und ein kleiner Junge rief mit einer monotonen, enervierenden Regelmäßigkeit: »Willy hat ihn übern Zaun geschlagen, Ma! Willy hat ihn übern Zaun geschlagen!« Wir kamen am Bingo vorbei, wo eine alte Frau heulte, daß sie den Truthahn gewonnen hatte,
halleluja, jede Zahl war mit einem Punkt bedeckt, und sie hatte den Truthahn gewonnen. Am Himmel verschwand die Sonne hinter einer Wolke, der Tag wurde düster. Unsere Schatten verschwanden. Der Bogen am Ende des Mittelwegs kam mit zermürbender Langsamkeit näher.
»Sind wir schon zu Hause?« stöhnte Ki fast. »Ich will nach Hause, Mike, bitte bring mich nach Hause zu meiner Mommy.«
»Das mache ich«, versprach ich ihr. »Alles wird gut.«
Wir kamen am Hau-den-Lukas vorbei, wo der junge
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