Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
jemand anders vor. Arbeit hin oder her, ich war immer noch in der Zone. Hatte das Feeling.
    Ich schlenderte in dem Laden herum, suchte ein paar Dinge fast wahllos aus, beobachtete Lila aus den Augenwinkeln und wartete darauf, daß sie auflegte, damit ich mit ihr reden konnte … und derweil summte mein eigener privater Hyperantrieb leise vor sich hin. Schließlich legte sie auf, und ich kam zum Tresen.
    »Michael Noonan, welch wohltuender Anblick für meine entzündeten Augen Sie doch sind!« sagte sie und addierte meine Einkäufe. »Hat mir schrecklich leid getan, als ich das von Johanna gehört hatte. Das muß ich als erstes sagen. Jo war ein Schatz.«
    »Danke, Lila.«
    »Gern geschehen. Mehr muß ich nicht sagen, aber so etwas sollte man gleich loswerden. Das habe ich immer geglaubt und werde es immer glauben. Gleich zu Anfang. Sie wollen ein bißchen was im Garten tun, nicht wahr?«
    »Wenn es jemals abkühlt.«
    »Jau! Ist das nicht schrecklich?« Sie flatterte wieder mit dem Saum ihrer Bluse, um mir zu zeigen, wie schrecklich es war, dann zeigte sie auf einen bestimmten Artikel. »Möchten Sie eine spezielle Tüte? Vorsehen ist besser als Nachsehen, das ist mein Wahlspruch.«
    Ich nickte, dann las ich die kleine Tafel, die schräg an der Kasse lehnte. FRISCHE BLAUBEEREN stand da in Kreide zu lesen. DIE ERNTE IST DA!
    »Ich nehme noch eine Schale Beeren«, sagte ich. »Wenn sie nicht von Freitag sind. Freitag ist nicht gut genug für mich.«

    Sie nickte nachdrücklich, als wüßte sie verdammt genau, daß das stimmte. »Die waren gestern noch an den Sträuchern. Frisch genug für Sie?«
    »Na klar doch«, sagte ich. »Heißt Kennys Hund nicht Blueberry?«
    »Ist er nicht ein lustiger Bursche? Herrgott, ich liebe große Hunde, wenn sie gut erzogen sind.« Sie drehte sich um, holte eine Schale Beeren aus ihrem kleinen Kühlschrank und füllte sie für mich in eine andere Tüte.
    »Wo ist Helen?« fragte ich. »Freier Tag?«
    »Die doch nicht«, sagte Lila. »Wenn sie in der Stadt ist, muß man sie mit dem Stock hier rausprügeln. Sie und Kenny und die Kinder sind runter nach Taxachusetts. Sie und die Familie ihres Bruders tun sich jeden Sommer zusammen und mieten vierzehn Tage ein Haus am Meer. Alle sind mitgegangen. Der alte Blueberry wird Möwen jagen, bis er umfällt.« Sie lachte - ein lautes und herzliches Lachen. Ich mußte dabei an Sara Tidwell denken. Vielleicht lag es auch daran, wie Lila mich ansah, als sie lachte. Sie lachte nicht mit den Augen. Die waren klein und berechnend, kalt und neugierig.
    Würdest du um Himmels willen aufhören? sagte ich zu mir. Sie können nicht alle unter einer Decke stecken, Mike!
    Konnten sie das nicht doch? Es gibt tatsächlich so etwas wie ein Gemeindebewußtsein - wer das nicht glaubt, hat nie eine Stadtversammlung in Neuengland besucht. Und wo es ein Bewußtsein gibt, gibt es da nicht auch ein Unterbewußtsein? Und wenn Kyra und ich das alte Gedankenverschmelzen-Spiel spielten, konnten es dann nicht auch andere Leute im TR-90 tun, vielleicht ohne es zu wissen? Wir teilten uns alle dieselbe Luft, dasselbe Land; den See und den unterirdischen Strom darunter, unterirdisches Wasser, das nach Fels und Mineralien schmeckte. Und wir teilten uns die Straße , wo gute Schoßhündchen und böse Köter nebeneinander Gassi gehen durften.
    Als ich mit meinen Einkäufen in der Stofftasche hinausgehen wollte, sagte Lila: »Schlimm, das mit Royce Merrill. Haben Sie schon gehört?«
    »Nein«, sagte ich.

    »Ist gestern abend die Kellertreppe runtergefallen. Kann nicht begreifen, was ein Mann seines Alters überhaupt auf so einer steilen Treppe zu suchen hatte, aber ich nehme an, wenn man in seinem Alter ist, wird man schon seine Gründe dafür haben, bestimmte Dinge zu tun.«
    Ist er tot? wollte ich fragen, formulierte es aber um. So stellte man diese Frage im TR nicht. »Ist er von uns gegangen?«
    »Noch nicht. Der Rettungsdienst von Motton hat ihn ins Castle County General gebracht. Er liegt im Koma. Sie glauben nicht, daß er noch mal aufwachen wird, der arme Kerl. Mit ihm wird ein Stück Geschichte sterben.«
    »Das stimmt wohl.« Und tschüs , dachte ich. »Hat er Kinder?«
    »Nein. Es gibt seit zweihundert Jahren Merrills im TR; einer ist bei Cemetery Ridge gestorben. Aber alle alten Familien sterben jetzt aus. Schönen Tag noch, Mike.« Sie lächelte. Ihre Augen blieben ausdruckslos und berechnend.
    Ich stieg in meinen Chevy ein, stellte die Tüte mit meinen Einkäufen auf

Weitere Kostenlose Bücher