Sara
an.«
»Warum läutet sein Glöckchen?«
»Er ist froh, daß wir hier sind. Er ist froh, daß wir es geschafft haben.«
Ich sah, daß sie glücklich sein wollte, dann wurde ihr klar, daß Mattie nicht da war, um mit ihr glücklich zu sein. Ich sah die Ahnung, daß Mattie nie wieder dasein würde, um mit ihr glücklich zu sein, in ihrem Verstand dämmern … und spürte, wie sie den Gedanken verdrängte. Über unseren Köpfen krachte etwas Riesiges auf das Dach, die Lichter flackerten, und Ki fing wieder an zu weinen.
»Nicht, Liebes«, sagte ich und ging mit ihr auf und ab. »Nicht, Kleines, nicht, Ki, nicht. Nicht, Liebes, nicht.«
»Ich will meine Mommy! Ich will meine Mattie! «
Ich ging mit ihr auf und ab, wie man mit Kindern auf und ab gehen soll, die eine Kolik haben. Sie verstand zuviel für eine Dreijährige, und demzufolge war ihr Leiden schlimmer, als es eine Dreijährige erdulden sollte. Darum hielt ich sie in den Armen und ging mit ihr auf und ab; ihre Shorts unter meinen Händen waren feucht von Urin und Regenwasser, ihre Arme fiebrig heiß an meinem Hals, ihre Wangen überzogen mit Rotz und Tränen, ihr Haar nach unserem kurzen Sprint
durch den Wolkenbruch ein nasser Klumpen, ihr Atem wie Azeton, ihr Spielzeug ein strangulierter schwarzer Klumpen, aus dem schmutziges Wasser zwischen ihren Fingern hervorquoll. Ich ging mit ihr auf und ab. Hin und her durch Saras Wohnzimmer, hin und her im trüben Licht der Deckenleuchte und einer Lampe. Generatorlicht ist nie ganz gleichmäßig, nie ganz ruhig - es scheint zu atmen und zu seufzen. Hin und her durch das unablässige leise Läuten von Bunters Glöckchen, das wie Musik aus jener Welt klang, die wir manchmal streifen, aber nie wirklich sehen. Hin und her im Lärm des Sturms. Ich glaube, ich habe ihr vorgesungen, und ich weiß, daß ich ihren Geist berührt habe, während wir gemeinsam tiefer und tiefer in die Zone gingen. Über uns zogen die Wolken dahin, prasselte der Regen und löschte die Feuer, die die Blitze im Wald entfacht hatten. Das Haus stöhnte, die Luft verwirbelte in Böen, die durch das eingeschlagene Küchenfenster drangen, aber über allem herrschte ein Gefühl wehmütiger Sicherheit. Ein Gefühl der Heimkehr.
Schließlich versiegten die Tränen. Sie lag mit der Wange und dem Gewicht ihres schweren Kopfs an meiner Schulter, und wenn wir an dem Fenster zum See vorbeikamen, konnte ich ihre Augen sehen, die groß und ohne zu blinzeln in den silbrig-dunklen Sturm hinaus schauten. Ein großer Mann mit schütterem Haar trug sie. Ich stellte fest, daß ich den Eßzimmertisch durch uns hindurch sehen konnte. Unsere Spiegelbilder sind schon Gespenster , dachte ich.
»Ki? Kannst du etwas essen?«
»Kein Hunger.«
»Kannst du ein Glas Milch trinken?«
»Nein, Kakao. Mir kalt.«
»Ja, natürlich ist dir kalt. Und ich habe Kakao.«
Ich versuchte, sie abzusetzen, aber sie klammerte sich an mir fest und strampelte mit ihren pummeligen kleinen Schenkeln. Ich zog sie wieder hoch, wobei ich sie diesmal auf meine Hüfte setzte, und sie hörte auf.
»Wer ist hier?« fragte sie. Sie hatte angefangen zu zittern. »Wer ist außer uns sonsnoch hier?«
»Ich weiß nicht.«
»Da ist ein Junge«, sagte sie. »Ich hab’ ihn da gesehen.« Sie zeigte mit Strickland zu einer der verglasten Schiebetüren, die auf die Veranda führten (sämtliche Stühle da draußen waren umgekippt und in die Ecken geschleudert worden; einer fehlte und war offenbar über das Geländer geweht worden). »Er war schwarz wie in der komischen Serie, die Mattie und ich sehen. Da sind auch andere schwarze Menschen. Eine Lady mit großem Hut. Ein Mann in blauen Hosen. Die anderen sind schwer zu sehen. Aber sie kucken. Sie kucken uns zu. Siehst du sie nicht?«
»Sie können uns nichts tun.«
»Bist du sicher? Bist du das?«
Ich antwortete nicht.
Ich fand einen Karton Swiss Miss hinter der Mehldose, riß eines der Päckchen auf und schüttete es in eine Tasse. Über uns explodierte Donner. Ki zuckte in meinen Armen zusammen und gab ein langes, jämmerliches Wimmern von sich. Ich drückte sie an mich und gab ihr einen Kuß auf die Wange.
»Setz mich nicht ab, Mike, ich hab’ Angst.« »Ich werde dich nicht absetzen. Du bist mein braves Mädchen.«
»Ich hab’ Angst vor dem Jungen und dem Mann in blauen Hosen und der Lady. Ich glaube, es ist die Lady, die Matties Kleid angehabt hat. Sind das Gespenstis?«
»Ja.«
»Sind sie böse, wie die Männer, die uns auf dem Jahrmarkt
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