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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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vollaufen, wie einst im Schlaf. Sie würde alles verschlafen, wenn ich genügend warmes Wasser zusammenbekam, bevor der Generator endgültig ausfiel. Ich wünschte, ich hätte ein Badespielzeug für sie, falls sie doch vorher aufwachte, so etwas wie Wilhelm den Spritzenden Wal, aber sie hatte ihren Hund, und wahrscheinlich würde sie sowieso nicht aufwachen. Keine eiskalte Taufe unter einer Handpumpe für Kyra. Ich war nicht grausam, und ich war nicht verrückt.
    Ich hatte nur Einwegrasierer im Medizinschränkchen, für die andere Aufgabe, die vor mir lag, nicht geeignet. Nicht wirksam genug. Aber eines der Steakmesser in der Küche würde auch gehen. Wenn ich das Waschbecken mit Wasser füllte, das richtig heiß war, würde ich es nicht mal spüren. Ein großes T auf jedem Unterarm, der obere Querbalken quer über das Handgelenk -
    Einen Moment kam ich aus der Zone heraus. Eine Stimme - meine eigene, die als eine Mischung aus Jo und Mattie sprach - schrie: Was denkst du da? Oh, Mike, was in Gottes Namen denkst du da?
    Dann ertönte Donner, die Lichter flackerten, und der vom Wind gepeitschte Regen goß wieder herab. Ich kehrte an den Ort zurück, wo alles klar, wo mein Vorgehen über jeden Zweifel erhaben war. Sollte alles zu Ende sein - die Trauer, der Schmerz, die Angst. Ich wollte nicht mehr daran denken, wie Mattie mit den Zehen auf dem Frisbee getanzt hatte, wie im Rampenlicht. Ich wollte nicht dasein, wenn Kyra aufwachte, wollte das Elend in ihren Augen nicht sehen. Ich wollte die kommende Nacht nicht überstehen, nicht den auf sie folgenden Tag oder den Tag danach. Sie alle waren Waggons desselben alten geheimnisvollen Zugs. Das Leben war eine Krankheit. Ich würde ihr ein schönes warmes Bad verpassen und sie davon heilen. Ich hob die Arme. Im Spiegel des Medizinschranks hob eine undeutliche Gestalt - eine gespenstische Gestalt - ihre
eigenen zu einer Art spöttischem Gruß. Das war ich. Ich war es die ganze Zeit gewesen, und das war gut. Das war ganz prima.
     
    Ich ließ mich auf ein Knie nieder und überprüfte das Wasser. Es floß hübsch warm. Gut. Selbst wenn der Generator jetzt ausfiel, wäre alles prima. Die Wanne war alt und tief. Als ich in die Küche ging, um das Messer zu holen, überlegte ich mir, ob ich zu ihr hineinsteigen sollte, nachdem ich mir die Pulsadern im heißeren Wasser des Beckens aufgeschnitten hatte. Nein, entschied ich. Das könnte von den Leuten, die später hierherkamen, Leuten mit häßlichen Gedanken und häßlicheren Vermutungen, falsch interpretiert werden. Den Leuten, die hierherkommen würden, wenn der Sturm vorbei und die Bäume von den Straßen geräumt waren. Nein, nach dem Bad würde ich sie abtrocknen und mit Strickland in der Hand ins Bett legen. Ich würde ihr gegenübersitzen, im Schaukelstuhl am Schlafzimmerfenster. Ich würde mir Handtücher auf den Schoß legen, damit mir sowenig Blut wie möglich auf die Hose kam, und schließlich würde ich auch einschlafen.
    Bunters Glöckchen läutete immer noch. Jetzt viel lauter. Es ging mir auf die Nerven, und wenn es so weiterläutete, konnte es sogar das Baby aufwecken. Ich beschloß, es abzureißen und endgültig zum Schweigen zu bringen. Ich durchquerte das Zimmer, und da wehte ein Schwall Luft heftig an mir vorbei. Es war kein Luftzug von dem eingeschlagenen Küchenfenster; dies war wieder die warme Luft einer U-Bahn. Sie wehte das Buch der extrakniffligen Kreuzworträtsel auf den Boden, aber der Briefbeschwerer auf dem Manuskript verhinderte, daß ihm die Seiten nachfolgten. Als ich in diese Richtung sah, verstummte Bunters Glöckchen.
    Eine Stimme seufzte durch das halbdunkle Zimmer. Worte konnte ich keine verstehen. Aber was machte das schon? Was spielte eine weitere Manifestation - ein weiterer Schwall heißer Luft aus den Ewigen Jagdgründen - schon für eine Rolle?
    Donner grollte, und das Seufzen ertönte erneut. Als der Generator diesmal ausfiel, die Lichter erloschen und das Zimmer in Dunkelheit hüllten, verstand ich ein Wort ganz deutlich:
    Neunzehn.

     
    Ich drehte mich auf den Absätzen um und beschrieb einen fast vollständigen Kreis. Als ich fertig war, sah ich durch das schattenhafte Zimmer zum Manuskript von Mein Jugendfreund . Plötzlich ging mir ein Licht auf. Verständnis machte sich breit.
    Nicht das Rätselbuch. Auch nicht das Telefonbuch.
    Mein Buch. Mein Manuskript.
    Ich ging hin und registrierte am Rande, daß das Wasser im Badezimmer des Nordflügels nicht mehr in die Wanne floß. Da der

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