Sara
der IBM-Schreibmaschine und dem Manuskript mit dem Kreuzworträtselbuch darauf. Das alles sah ein wenig albern und irgendwie traurig aus, wie Geräte, die nie sehr gut funktioniert haben und jetzt gar nicht mehr funktionieren.
Blitze erhellten den gesamten Himmel und überfluteten das Zimmer mit purpurnem Licht. In dem Leuchten sahen
die wogenden Bäume wie schreiende Finger aus, und als das Licht über die Glastür zur Veranda huschte, sah ich eine Frau hinter uns beim Holzofen stehen. Sie trug wahrhaftig einen Strohhut mit einer Krempe so breit wie ein Wagenrad.
»Was meinst du damit, der Fluß mündet fast ins Meer?« fragte Ki.
Ich setzte mich hin und gab ihr die Tasse. »Trink das.«
»Warum haben die Männer meiner Mommy weh getan? Wollten sie nicht, daß sie es schön hat?«
»Wahrscheinlich nicht«, sagte ich. Ich fing an zu weinen. Ich hielt sie auf meinem Schoß fest und wischte mir mit dem Handrücken die Tränen weg.
»Du hättest auch ein paar traurige Pillen nehmen sollen«, sagte Ki. Sie hielt mir ihren Kakao hin. Ihre Haarbänder, die ich zu großen, nachlässigen Schleifen gebunden hatte, hüpften. »Hier. Trink was.«
Ich trank was. Vom Nordende des Hauses ertönte ein weiteres knirschendes Krachen. Das tiefe Brummen des Generators kam ins Stottern, im Haus wurde es wieder grau. Schatten rasten über Kis kleines Gesicht.
»Halt dich fest«, sagte ich zu ihr. »Versuch, keine Angst zu haben. Vielleicht gehen die Lichter wieder an.« Einen Moment später gingen sie an, aber jetzt konnte ich einen heiseren, unrunden Unterton im Brummen des Generators hören, und das Flackern des Lichts wurde noch stärker.
»Erzähl mir eine Geschichte«, sagte sie. »Erzähl mir von Cinderbell.«
»Cinderella.«
»Ja, von der.«
»Na gut, aber Geschichtenerzähler werden bezahlt.« Ich schürzte die Lippen und machte schlürfende Geräusche.
Sie hielt mir die Tasse hin. Der Kakao war süß und gut. Das Gefühl, beobachtet zu werden, war deutlich und gar nicht gut, aber sollten sie doch zusehen. Sollten sie doch zusehen, so lange sie noch konnten.
»Da war dieses hübsche Mädchen namens Cinderella -«
»Es war einmal! So fängt es an! So fangen sie alle an!«
»Stimmt, das hatte ich vergessen. Es war einmal dieses hübsche Mädchen namens Cinderella, das zwei gemeine Stiefschwestern hatte. Ihre Namen waren … kannst du dich erinnern?«
»Tammy Faye und Vanna.«
»Ja, die Königinnen des Haarsprays. Und sie ließen Cinderella alle wirklich unangenehmen Arbeiten erledigen, zum Beispiel den Kamin ausfegen und Hundehäufchen im Garten aufsammeln. Nun kam es aber zufällig dazu, daß die berühmte Rockband Oasis ein Konzert im Palast geben sollte, und obwohl alle Mädchen eingeladen waren …«
Ich kam bis zu dem Teil, wo die Fee die Mäuse fängt und in Kutschenpferde verwandelt, als das Benadryl wirkte. Es war wirklich eine Medizin für Traurigkeit, denn als ich nach unten sah, lag Ki fest eingeschlafen in meiner Armbeuge und ihre Kakaotasse neigte sich dramatisch nach Backbord. Ich nahm sie ihr aus den Fingern und stellte sie auf den Beistelltisch, dann strich ich ihr das trocknende Haar aus der Stirn.
»Ki?«
Nichts. Sie war ins Land des Sandmännchens entschwunden. Hilfreich war wahrscheinlich, daß ihr Mittagsschlaf zu Ende gewesen war, bevor er richtig angefangen hatte.
Ich nahm sie hoch und trug sie zum Schlafzimmer im Nordflügel; ihre Füße baumelten schlaff in der Luft, und der Saum des Harley-Shirts flatterte um ihre Knie. Ich legte sie auf das Bett und zog ihr die Decke bis unters Kinn. Donner hallte wie Artilleriefeuer, aber sie regte sich nicht einmal. Erschöpfung, Trauer, Benadryl … sie hatten sie weit mit sich genommen, weit jenseits von Gespenstern und Sorgen, und das war gut.
Ich beugte mich über sie und küßte sie auf die Wange, die endlich abkühlte. »Ich kümmere mich um dich«, sagte ich. »Ich habe es versprochen, und ich werde es tun.«
Ki drehte sich auf die Seite, als hätte sie mich gehört, schob die Hand, mit der sie Strickland hielt, unter das Kinn und gab ein leises Seufzen von sich. Ihre Wimpern waren wie dunkler Ruß auf den Wangen, ein verblüffender Kontrast zu ihrem hellen Haar. Als ich sie ansah, überkam mich ein Gefühl tiefer
Zuneigung, das mich so erschütterte, wie man von einer Krankheit erschüttert wird.
Kümmere dich um mich, ich bin nur ein kleines Mädchen.
»Das werde ich, Ki-bird«, sagte ich.
Ich ging ins Bad und ließ die Wanne
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