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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Generator ausgefallen war, funktionierte auch die Pumpe nicht mehr. Das machte nichts, das Wasser war schon tief genug. Und warm. Ich würde Kyra baden, aber vorher mußte ich etwas anderes tun. Ich mußte neunzehn runter, und danach mußte ich möglicherweise zweiundneunzig runter. Und das konnte ich. Ich hatte mehr als hundertzwanzig Manuskriptseiten fertiggestellt, also konnte ich es. Ich nahm die batteriebetriebene Laterne oben von dem Schränkchen, in dem ich immer noch mehrere hundert richtige Vinylschallplatten aufbewahrte, schaltete sie ein und stellte sie auf den Tisch. Sie warf einen weißen Lichtschein auf das Manuskript - in der Dunkelheit des Nachmittags war sie so hell wie ein Scheinwerfer.
    Auf Seite neunzehn von Mein Jugendfreund saß Tiffy Taylor - das Callgirl, das sich als Regina Whiting neu erfunden hatte - mit Andy Drake in ihrem Atelier und berichtete von dem Tag, an dem John Sanborn (der falsche Name, den John Shackleford angegeben hatte) ihre dreijährige Tochter Karen gerettet hat. Dies ist der Abschnitt, den ich las, während der Donner hallte und der Regen gegen die Schiebetür zur Veranda platschte:
    FREUND, von Noonan/S. 19
     
    eine Richtung, ich war ganz sicher«, sagte sie, »oh, und als ich sie nirgendwo sehen konnte, ging ich zuletzt im Whirlpool nachsehen.« Sie zündete sich noch eine Zigarette an. »Ich sah sie, wollte losheulen, nach ihr schreien, Andy - Karen war unter Wasser. Und nur ihre Hand ragte noch heraus … die Nägel wurden purpurn. Dann … bin
ich wohl hinterhergesprungen, aber ich kann mich nicht klar erinnern. Ich war nicht ganz da. Danach ist alles wie richtig im Traum, wo alles im Geiste zusammenläuft. Der Gärtner - Sanborn - schob mich weg und tauchte. Er traf mich mit dem Fuß am Hals, ich konnte einen Monat kaum schlucken. Er zerrte an Karens Arm. Allen Ernstes, ich dachte wirklich, er würde ihn ihr total aus der verdammten Schulter reißen, aber er erwischte sie. Er konnte sie tatsächlich befreien. Langsam zog er sie raus.«
    Im Halbdunkel sah Drake, daß sie weinte. »O Gott, es ist zu spät, dachte ich. Er hat sie zwar rausgerissen, aber sie ist tot.«
    Ich wußte sofort Bescheid, legte aber den Stenoblock an den linken Rand, damit ich es besser lesen konnte. Ich las nach unten, wie man das senkrechte Wort in einem Kreuzworträtsel lesen würde, und der erste Buchstabe jeder Zeile ergab die Nachricht, die fast seit dem Zeitpunkt, als ich das Buch angefangen hatte, dagewesen war:
    eulen UNter DEM AteL er
    Und wenn ich den eingerückten Absatz zwei Zeilen vor dem Seitenende mitzählte:
    eulen UNter DEM AteLIer
    Bill Dean, mein Hausmeister, sitzt am Steuer seines Lasters. Er hat mit seinem Besuch seine beiden Ziele hier erreicht - mich im TR willkommen geheißen und mich vor Mattie Devore gewarnt. Jetzt ist er bereit zu gehen. Er lächelt mir zu und läßt diese großen falschen Zähne sehen, die Roebucker. »Wenn Sie Gelegenheit dazu haben, sollten Sie nach den Eulen suchen«, sagt er. Ich frage ihn, was Jo mit zwei Plastikeulen gewollt haben könnte, und er antwortet, sie verhindern, daß Krähen auf das Gebälk scheißen. Ich akzeptiere es,
ich muß über andere Sachen nachdenken, aber dennoch … »Fast so, als wäre sie extra deswegen gekommen«, sagt er. Mir kommt nie in den Sinn - jedenfalls damals nicht -, daß Eulen im indianischen Brauchtum einen anderen Zweck haben: Man sagt, daß sie böse Geister fernhalten. Wenn Jo wußte, daß Plastikeulen die Krähen abschrecken, muß sie auch das gewußt haben. Es war genau die Art Information, die sie aufschnappte und speicherte. Meine wißbegierige Frau. Mein brillanter Wirrkopf.
    Donner grollte. Blitze fraßen sich in die Wolken wie Spritzer heller Säure. Ich stand am Eßzimmertisch und hielt das Manuskript in zitternden Händen.
    »Herrgott, Jo«, flüsterte ich. »Was hast du herausgefunden?«
    Und warum hast du mir nichts erzählt?
    Aber ich glaubte, ich wußte die Antwort darauf. Sie hatte es mir nicht gesagt, weil ich auf irgendeine Weise wie Max Devore war; sein Urgroßvater und meiner hatten in dieselbe Latrine geschissen. Es ergab keinen Sinn, aber so war es nun mal. Und sie hatte es ihrem Bruder auch nicht erzählt. Das spendete mir eine unheimliche Art von Trost.
    Ich blätterte durch das Manuskript und bekam eine Gänsehaut.
    Michael Noonan ließ Andy Drake in Mein Jugendfreund selten weinen. Er ließ ihn heulen , weil eine Eule in jedem Heulen steckt. Bevor er nach Florida kam, hatte John

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