Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
meines Urlaubs trank ich an vielen Abenden. »Nicht die Blockade macht mir angst, sondern die Beseitigung der Blokkade. Ich bin echt verkorkst, Jungs und Mädels. Im großen Maßstab verkorkst.«
    Verkorkst oder nicht, ich hatte das Gefühl, als wäre ich endlich zum Kernpunkt der Sache vorgestoßen. Ich hatte Angst davor, die Blockade zu beseitigen, vielleicht Angst davor, die Fäden meines Lebens in die Hand zu nehmen und ohne Jo weiterzumachen. Aber ein tiefer Teil meines Verstandes glaubte, daß ich es tun mußte; darum ging es bei den bedrohlichen Geräuschen hinter mir im Wald. Und Glaube bedeutet sehr viel. Vielleicht zuviel, besonders wenn man Fantasie hat. Wenn ein fantasievoller Mensch geistige Probleme bekommt, verschwindet die Trennlinie zwischen Schein und Sein.
    Wesen im Wald, ja, Sir. Eines davon hatte ich hier in der Hand, während ich das alles dachte. Ich hob den Drink und hielt ihn zum westlichen Himmel, so daß die Sonne im Glas zu brennen schien. Ich trank viel, und das war auf Key Largo
vielleicht okay - verdammt, die Leute sollen im Urlaub viel trinken, das war fast ein Gesetz -, aber ich hatte schon vor meiner Abreise zuviel getrunken. Die Art von Trinken, die in Null Komma nichts außer Kontrolle geraten konnte. Die Art, die einen in Schwierigkeiten bringen kann.
    Wesen im Wald, der potentielle Zufluchtsort von einem furchteinflößenden Monster bewacht, das nicht meine Frau war, aber vielleicht die Erinnerung an meine Frau. Das ergab einen Sinn, weil Sara Lacht immer Jos liebstes Fleckchen auf Erden gewesen war. Dieser Gedanke führte zu einem anderen, bei dem ich die Beine über den Liegestuhl schwang, auf dem ich gelegen hatte, und mich aufgeregt hinsetzte. Sara Lacht war auch der Ort gewesen, wo das Ritual angefangen hatte … Champagner, letzte Zeile, und der unerläßliche Segensspruch: Nun, dann geht das ja in Ordnung, richtig?
    Wollte ich, daß alles wieder in Ordnung war? Wollte ich es wirklich? Vor einem Monat oder einem Jahr wäre ich nicht sicher gewesen, aber jetzt war ich es. Die Antwort lautete ja. Ich wollte weiterziehen - meine tote Frau loslassen, mein Herz befreien, weiterziehen. Aber um das zu können, mußte ich zurück.
    Zurück zur Blockhütte. Zurück zu Sara Lacht.
    »Ja«, sagte ich und bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper. »Ja, das ist es.«
    Also, warum nicht?
    Nach dieser Frage kam ich mir so dumm vor wie nach Ralph Roberts’ Feststellung, daß ich Urlaub brauchte. Wenn ich jetzt, wo mein Urlaub zu Ende war, zu Sara Lacht zurückkehren mußte, warum eigentlich nicht? In der ersten und zweiten Nacht mochte es ein wenig beklemmend sein, ein Nachhall meines letzten Traums, aber meine Anwesenheit dort trug vielleicht dazu bei, den Traum schneller zu vergessen.
    Und (diesen Gedanken gestattete ich mir in einer bescheidenen Ecke meines Bewußtseins) vielleicht passierte wirklich etwas mit meinem Schreibvermögen. Es war nicht wahrscheinlich … aber auch nicht unmöglich. Wenn nicht ein Wunder geschieht , war das nicht mein Gedanke am Neujahrstag gewesen, als ich auf dem Rand der Badewanne saß und einen
feuchten Waschlappen an den Schnitt auf meiner Stirn hielt. Ja. Wenn nicht ein Wunder geschieht . Manchmal fallen Blinde hin, stoßen sich den Kopf und bekommen ihr Augenlicht zurück. Manchmal können Krüppel ihre Krücken wegwerfen, wenn sie oben an der Kirchentreppe angekommen sind.
    Mir blieben acht oder neun Monate, bis Harold und Debra mir richtig wegen eines neuen Romans einheizen würden. Ich beschloß, die Zeit in Sara Lacht zu verbringen. Es würde eine Zeitlang dauern, meine Angelegenheiten in Derry zu ordnen, und Bill Dean würde Zeit brauchen, um das Haus am See für einen dauerhaften Bewohner herzurichten, aber ich konnte mühelos bis zum vierten Juli dort sein. Ich entschied, daß das ein guter Termin war, nicht nur der Geburtstag unseres Landes, sondern auch weitgehend das Ende der Insektenzeit im westlichen Maine.
    Am Tag, als ich meine Reisetaschen packte (die Taschenbücher von John D. MacDonald ließ ich für den nächsten Bewohner der Hütte zurück), mir die Stoppeln einer Woche von einer Haut rasierte, die so braungebrannt war, daß sie nicht mehr meine zu sein schien, und nach Maine zurückflog, stand für mich fest: Ich würde an den Ort zurückkehren, den mein Unterbewußtsein als Schutz vor der zunehmenden Dunkelheit identifiziert hatte; ich würde zurückkehren, obwohl mein Verstand auch angedeutet hatte, daß es nicht ohne Risiken sein

Weitere Kostenlose Bücher