Sara
seit Jo und ich im Winter vor ihrem Tod auf den Bermudas gewesen waren. Mein spezieller Mühlstein mahlte nicht mehr, aber ich war trotzdem nicht von seiner Seite gewichen.
Erst im Sommer, als ich Ralph Roberts’ Nachruf in den News las (er war von einem Auto überfahren worden), wurde mir bewußt, wieviel ich ihm verdankte. Sein Rat war besser gewesen als jedes Glas Orangensaft, das ich je nach dem Blutspenden bekommen habe, das kann ich Ihnen sagen.
Als ich das Restaurant verließ, ging ich nicht gleich nach Hause, sondern stapfte, den Teil der Zeitung mit dem halb gelösten Kreuzworträtsel unter dem Arm, durch die halbe verdammte Stadt. Ich ging spazieren, bis ich fror, obwohl es doch wärmer geworden war. Ich dachte über nichts nach, und doch gleichzeitig über alles. Es war eine spezielle Art von Denken, wie ich es immer getan habe, wenn ich kurz davor war, ein Buch zu schreiben, und obwohl ich seit Jahren nicht mehr auf diese Weise gedacht hatte, fand ich leicht und natürlich wieder hinein, als wäre ich nie weggewesen.
Es ist, als wären einige Männer mit einem großen Laster in Ihre Einfahrt gefahren und trügen Dinge in den Keller. Besser kann ich es nicht erklären. Sie können nicht sehen, um was für Dinge es sich handelt, weil sie alle in Decken gehüllt sind, aber
Sie müssen sie auch nicht sehen. Es sind Einrichtungsgegenstände - alles, was Sie brauchen, um aus Ihrem Haus ein Heim zu machen, es genau richtig zu machen, genauso, wie Sie es haben wollten.
Wenn die Männer wieder in ihren Laster gesprungen und weggefahren sind, gehen Sie in den Keller, laufen herum (wie ich an diesem Vormittag durch Derry gelaufen bin, bergauf und bergab in meinen alten Galoschen) und streichen hier über eine verhüllte Krümmung, da über eine verhüllte Kante. Ist das ein Sofa? Ist das eine Kommode? Es spielt keine Rolle. Alles ist da, die Umzugsleute haben kein Stück vergessen, und auch wenn Sie alles selbst nach oben tragen müssen (und dabei vermutlich Ihren armen alten Rücken überanstrengen), geht das in Ordnung. Wichtig ist nur, daß die Lieferung vollständig war.
Diesmal dachte ich - hoffte ich -, der Umzugswagen hätte alles gebracht, was ich für die zweiten vierzig brauchte: die Jahre, die ich möglicherweise in einer Schreibfreien Zone verbringen mußte. Sie waren zur Kellertür gekommen und hatten höflich angeklopft, und als nach mehreren Monaten immer noch keine Antwort gekommen war, hatten sie schließlich den Rammbock geholt. HE, KUMPEL, WIR HOFFEN, DER LÄRM HAT SIE NICHT ZU SEHR ERSCHRECKT, DAS MIT DER TÜR TUT UNS LEID!
Die Tür war mir egal, die Möbel nicht. Waren irgendwelche Teile zerbrochen oder gar nicht dabei? Ich glaubte nicht. Ich mußte es nur nach oben schaffen, die Verpackung abziehen und alles hinstellen, wohin es gehörte.
Auf dem Rückweg nach Hause kam ich an The Shade vorbei, dem entzückenden kleinen Programmkino von Derry, das trotz der Videorevolution (oder vielleicht gerade deswegen) sein Auskommen hatte. Diesen Monat zeigten sie SF-Klassiker aus den fünfziger Jahren, aber der April war Humphrey Bogart vorbehalten, Jos ewigem Favoriten. Ich blieb einen Moment unter dem Vordach stehen und betrachtete die Plakate kommender Attraktionen. Dann ging ich nach Hause, suchte im Telefonbuch wahllos ein Reisebüro und sagte dem Typen, daß ich nach Key Largo wollte. Sie meinen Key West , sagte der Typ. Nein, sagte ich, ich meine Key Largo, genau wie in dem Film mit Bogart und Bacall. Drei Wochen. Dann überlegte ich
es mir. Ich war wohlhabend, ich war alleinstehend und im Ruhestand. Was sollte diese Scheiße mit den drei Wochen? Machen Sie sechs daraus, sagte ich. Suchen Sie mir ein Ferienhaus oder so. Wird aber teuer, sagte er. Ich sagte ihm, das wäre mir gleich. Wenn ich nach Derry zurückkäme, wäre Frühling.
Bis dahin hatte ich Möbel auszupacken.
Den ersten Monat war ich bezaubert von Key Largo, die beiden restlichen Wochen langweilte ich mich zu Tode. Aber ich blieb, weil Langeweile gut ist. Leute mit einer hohen Toleranz für Langeweile können viel nachdenken. Ich aß etwa eine Milliarde Shrimps, trank rund tausend Margaritas und las dreiundzwanzig Romane von John D. MacDonald. Ich bekam Sonnenbrand, meine Haut schälte sich, und schließlich wurde sie braun. Ich kaufte mir eine Mütze mit langem Schirm und der hellgrün gestickten Aufschrift PARROTHEAD. Ich ging so oft denselben Strandabschnitt entlang, bis ich alle beim Vornamen kannte. Und ich packte
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