Sara
des Scout schwankte von einer Seite zur anderen wie der Schwanz eines glücklichen Hundes. Ich beobachtete fast hypnotisiert, wie er auf mich zufuhr - auf der Fahrspur nach Norden, dann über den weißen Streifen auf die Fahrspur nach Süden, dann ein heftiges Gegenlenken, so daß die linken Reifen Staub am Straßenrand aufwirbelten.
»Mattie schnell macht«, sagte meine neue Freundin in einem Ist-das-nicht-interessant-Plauderton. Einen Arm hatte sie mir um den Hals gelegt; wir waren Kameraden, bei Gott.
Aber was das Kind sagte, rüttelte mich auf. Mattie schnell machte, durchaus, zu schnell. Mattie würde höchstwahrscheinlich das Heck meines Chevrolet wegputzen. Und wenn ich einfach hier stehenblieb, würden Schnuckelchen und ich zwischen den beiden Fahrzeugen zu Brei zerquetscht werden.
Ich wich die ganze Länge meines Autos zurück, ließ den Jeep nicht aus den Augen und rief: »Langsamer, Mattie! Langsamer!«
Das gefiel meiner Süßen. »’angsama!« rief sie und fing an zu lachen. »’angsama, olle Mattie,’angsama!«
Die Bremsen schrien erneut gequält auf. Der Jeep machte einen letzten unglücklichen Satz rückwärts, als Mattie ohne Zuhilfenahme der Kupplung anhielt. Dieser letzte Satz brachte die hintere Stoßstange des Scout so nahe an die hintere Stoßstange meines Chevy, daß man die Entfernung mit einer Zigarette hätte überbrücken können. Der Ölgeruch in der Luft war gewaltig und beißend. Das Mädchen winkte mit einer Hand vor ihrem Gesicht und hustete bühnenreif.
Die Fahrertür wurde aufgestoßen; Mattie Devore kam herausgeschnellt wie ein Zirkusakrobat, der aus einer Kanone geschossen worden war, wenn Sie sich einen Zirkusakrobaten vorstellen können, der alte Paisleyshorts und ein Top aus grober Baumwolle trägt. Mein erster Gedanke war, daß die große Schwester des Mädchens Babysitter gespielt hatte, daß Mattie und Mommy zwei verschiedene Personen waren. Ich weiß, daß Kleinkinder häufig eine Phase durchmachen, in der sie ihre Eltern mit Vornamen ansprechen, aber dieses Mädchen mit den blassen Wangen sah wie zwölf aus, höchstens vierzehn. Ich entschied, daß ihr linkischer Umgang mit dem Scout nicht auf Angst um ihr Kind zurückzuführen war (oder nicht nur auf Angst), sondern auf völlige Unerfahrenheit im Umgang mit Autos.
Und da war noch etwas, okay? Noch eine Mutmaßung, die ich anstellte. Der schlammverspritzte Geländewagen, die ausgebeulten Paisleyshorts, das Top, das förmlich Woolworth
schrie, das lange blonde Haar, das von kleinen roten Plastikspangen gehalten wurde, am meisten aber die Nachlässigkeit, die es der Dreijährigen, auf die man achtgeben sollte, erst gestattet, so einfach davonzuspazieren … das alles deutete für mich auf Wohnwagen-Abschaum hin. Ich weiß, wie sich das anhört, aber ganz unbegründet war es nicht. Außerdem bin ich irischer Abstammung, gottverdammt. Meine Vorfahren waren Wohnwagen-Abschaum, als die Wohnwagen noch von Pferden gezogene Planwagen waren.
» Stinke-pfui! « sagte das Mädchen, das immer noch mit der pummeligen Hand vor dem Gesicht wedelte. »Scoutie stink! «
Wo Scouties Badehösi? dachte ich, dann wurde mir meine neue Freundin aus den Armen gerissen. Jetzt, aus der Nähe, bekam meine Vermutung, daß Mattie die Schwester meiner Badenixe war, erste Risse. Mattie würde die Lebensmitte zwar erst deutlich im nächsten Jahrhundert erreichen, aber sie war auch nicht zwölf oder vierzehn. Als sie mir das Baby entriß, sah ich den Ehering an ihrer linken Hand. Außerdem sah ich die dunklen Ringe unter ihren Augen, die graue Haut mit einem Stich ins Purpurne. Sie war jung, aber ich nahm doch an, daß ich hier Erschöpfung und Angst einer Mutter vor mir sah.
Ich ging davon aus, daß sie das Balg windelweich prügeln würde, weil Wohnwagen-Abschaum immer so auf Erschöpfung und Angst reagiert. In dem Fall wollte ich sie auf die eine oder andere Weise aufhalten - sie ablenken, damit sie ihre Wut auf mich richtete, wenn das erforderlich war. Ich sollte hinzufügen, daß das keineswegs aus edlen Motiven geschah; ich wollte das Hinternversohlen, Schütteln und Ins-Gesicht-Schreien lediglich auf einen Zeitpunkt und Ort verschieben, wo ich nicht zusehen mußte. Es war mein erster Tag in der Stadt; ich wollte keine Minute davon damit verbringen, einer fahrlässigen Schlampe zuzusehen, wie sie ihr Kind mißhandelte.
Aber statt sie zu schütteln und anzubrüllen: »Wohin wolltest du dich verdrücken, du kleines Aas?« umarmte Mattie
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