Sara
bin Mattie Devore.« Sie verlagerte das Kind und streckte die Hand aus. Ich schüttelte sie. Der Morgen war warm, am Vormittag würde es heiß sein - mit Sicherheit Strandwetter -, aber die Finger, die ich berührte, waren eiskalt. »Wir wohnen gleich dort.«
Sie zeigte zu der Kreuzung, aus der der Scout herausgeschossen war, und ich konnte - was für eine Überraschung! - einen extragroßen Wohnwagen sehen, der in einem Kiefernhain etwa sechzig Meter die kleine Zufahrtsstraße hoch abgestellt war. Wasp Hill Road, soweit ich mich erinnerte. Sie verlief etwa eine halbe Meile von der Route 68 zum Wasser - dem Teil des Sees, der als Middle Bay bekannt war. Ah, ja, Doc, jetzt fällt es mir wieder ein. Ich reite wieder über die Dark-Score-Weide. Kleine Kinder retten ist meine Spezialität.
Trotzdem registrierte ich erleichtert, daß sie in der Nähe wohnte - keine Viertelmeile von der Stelle entfernt, wo unsere beiden Fahrzeuge standen und sich fast an den Hecks berührten -, und wenn ich es mir recht überlegte, verstand sich das eigentlich von selbst. Ein so kleines Kind wie die Badenixe konnte nicht weit zu Fuß gegangen sein … obwohl dieses Mädchen bereits ein hinreichendes Maß an Entschlossenheit unter Beweis gestellt hatte. Ich dachte mir, daß das erschöpfte Aussehen der Mutter zum großen Teil auch auf den Dickkopf der Tochter zurückzuführen war. Ich war froh, daß ich zu alt war, einer ihrer zukünftigen Freunde zu sein; sie würde sie an High School und College durch Reifen springen lassen. Wahrscheinlich durch brennende Reifen.
Nun, zumindest an der High School. Mädchen aus dem Wohnwagenviertel der Stadt besuchten nicht zwangsläufig das College, es sei denn, es gab ein Junior College oder eine Technische Hochschule in der Nähe. Und sie würde sie nur springen lassen, bis der richtige Junge (wahrscheinlicher jedoch der falsche) um die große Kurve des Lebens gerast kam und sie auf dem Highway überfuhr, da sie nicht wußte, daß
die weiße Linie und der Zebrastreifen etwas Grundverschiedenes waren. Und dann würde sich der ganze Zyklus wiederholen.
Allmächtiger Gott, Noonan, hör auf , sagte ich zu mir. Sie ist drei Jahre alt, und bei dir hat sie schon drei eigene Kinder, zwei mit Scherpilzflechte und eins zurückgeblieben.
»Ich bin Ihnen so dankbar«, wiederholte Mattie.
»Schon gut«, sagte ich und stupste die Nase des kleinen Mädchens an. Obwohl ihre Wangen noch tränenfeucht waren, grinste sie mich zur Antwort strahlend an. »Ein sehr wortmächtiges Mädchen.«
»Sehr wortmächtig und sehr eigensinnig.« Nun schüttelte Mattie ihr Kind doch ein wenig, aber das Mädchen zeigte keine Angst, und nichts deutete darauf hin, daß Schütteln und Prügeln an der Tagesordnung waren. Im Gegenteil, ihr Lächeln wurde breiter. Ihre Mutter lächelte zurück. Und ja - wenn man ihr schlampiges Aussehen außer acht ließ, war sie wirklich außergewöhnlich hübsch. In einem Tenniskleid im Country Club von Castle Rock (den sie wahrscheinlich nie von innen sehen würde, es sei denn als Zimmermädchen oder Kellnerin) würde sie mehr als hübsch aussehen. Vielleicht eine junge Grace Kelly.
Dann sah sie mich mit sehr großen und ernsten Augen an.
»Mr. Noonan, ich bin keine schlechte Mutter«, sagte sie.
Ich erschrak, als ich meinen Namen aus ihrem Mund hörte, aber nur vorübergehend. Schließlich war sie im richtigen Alter, und meine Bücher waren wahrscheinlich besser für sie, als die Nachmittage vor General Hospital und Liebe, Lüge, Leidenschaft zu verbringen. Jedenfalls ein bißchen.
»Wir hatten Streit darüber, wann wir zum Strand gehen wollten. Ich wollte die Wäsche aufhängen, zu Mittag essen und am Nachmittag gehen. Kyra wollte -« Sie verstummte. »Was ist? Was habe ich gesagt?«
»Ihr Name ist Kia? Hat -« Bevor ich weitersprechen konnte, geschah etwas höchst Außergewöhnliches: Mein Mund war voll Wasser. So voll, daß ich einen Augenblick Panik verspürte, wie jemand, der im Meer schwimmt und dem eine Welle in den Mund schwappt. Aber es schmeckte nicht nach
Salz, es war kalt und frisch, mit einem schwachen metallischen Beigeschmack, wie Blut.
Ich wandte den Kopf ab und spuckte aus. Ich erwartete, daß ein Schwall Flüssigkeit aus meinem Mund kommen würde - wie man es manchmal erlebt, wenn man einen beinahe Ertrunkenen künstlich beatmet. Statt dessen kam heraus, was immer herauskommt, wenn man an einem heißen Tag ausspuckt: ein kleines weißes Schaumflöckchen. Und das Gefühl war
Weitere Kostenlose Bücher