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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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das Mädchen zuerst (das die Umarmung begeistert erwiderte und keine Spur von Angst erkennen ließ) und bedeckte ihr Gesicht anschließend mit Küssen.

    »Warum hast du das getan?« rief sie. »Was hast du dir dabei gedacht? Ich bin fast gestorben, als ich dich nicht finden konnte.«
    Mattie brach in Tränen aus. Das Kind im Badeanzug sah sie mit einer derart durch und durch überraschten Miene an, daß es unter anderen Umständen komisch gewesen wäre. Dann verzog auch sie das Gesicht. Ich trat zurück, sah die beiden weinen und einander umarmen und schämte mich meiner Vorurteile.
    Ein Auto fuhr vorbei und wurde langsamer. Ein älteres Paar - Ma und Pa Kettle auf dem Weg zum Laden, um ihre Ferienration Grape Nuts zu holen - gaffte heraus. Ich winkte ihnen mit beiden Händen ungeduldig zu, ein Winken, das sagen sollte, was habt ihr denn zu glotzen, hört auf, Maulaffen feilzuhalten, und seht zu, daß ihr Land gewinnt. Sie fuhren weiter, aber ich sah kein Nummernschild eines anderen Bundesstaats, wie ich gehofft hatte. Bei dieser Version von Ma und Pa handelte es sich um Einheimische, und es würde nicht mehr lange dauern, bis die Geschichte die Runde machte: Mattie, die Teenagerbraut, und ihr kleiner Wonneproppen (besagter Proppen zweifellos Monate vor der diesen Akt legitimierenden Zeremonie auf dem Rücksitz eines Autos oder der Pritsche eines Pickup gezeugt), die sich am Straßenrand die Augen rot heulten. Mit einem Fremden. Nein, strenggenommen kein Fremder. Mike Noonan, der Schriftstellertyp aus dem anderen Teil des Staates.
    »Ich wollte am Strand und schwuhi-schwuhi-schwuhimmen! « schluchzte das kleine Mädchen, und nun hörte sich das ›Schwimmen‹ exotisch an - vielleicht wie das vietnamesische Wort für ›Ekstase‹.
    »Ich hab’ gesagt, ich geh’ heute nachmittag mit dir.« Mattie schniefte immer noch, beherrschte sich aber allmählich. »Mach das nie wieder, kleine Maus, bitte mach das nie wieder, Mommy hat solche Angst gehabt.«
    »Nein«, sagte das Kind. »Bestimmt nicht.« Sie nahm das ältere Mädchen, immer noch weinend, fest in die Arme und legte den Kopf an Matties Hals. Ihre Baseballmütze fiel herunter. Ich hob sie auf und kam mir allmählich wie ein Störenfried
vor. Ich drückte Mattie die blau-rote Mütze in die Hand, bis sie die Finger darum schloß.
    Außerdem entschied ich, daß mir die Wendung gefiel, die die Ereignisse genommen hatten, und vielleicht hatte ich allen Grund dazu. Ich habe den Vorfall geschildert, als wäre er heiter gewesen, und das war er, aber es war die Art von Heiterkeit, die man erst später sieht. Als es passierte, war es erschreckend. Angenommen, ein Lastwagen wäre aus der Gegenrichtung gekommen? Mit überhöhter Geschwindigkeit um diese Kurve?
    Nun kam ein Fahrzeug um die Kurve, ein Pickup der Art, wie ihn kein Tourist jemals fährt. Zwei weitere Einheimische fuhren gaffend vorbei.
    »Ma’am?« sagte ich. »Mattie? Ich glaube, ich gehe besser. Freut mich, daß Ihrem kleinen Mädchen nichts passiert ist.« Kaum hatte ich es gesagt, verspürte ich den fast übermächtigen Drang zu lachen. Ich sah mich selbst, wie ich Mattie (ein Name, der wie kein zweiter in einen Film wie Erbarmungslos oder Der Marshal gehörte) mit in den Gürtel der Überhose gehakten Daumen diese Ansprache hielt und dabei den Stetson nach hinten geschoben hatte, um meine edle Stirn zu zeigen. Ich verspürte den irren Drang hinzuzufügen: »Sie sind eine richtige Schönheit, Ma’am, sind Sie nicht die neue Lehrerin?«
    Sie drehte sich zu mir um, und ich sah, daß sie wirklich eine Schönheit war. Selbst mit Ringen unter den Augen und blonden Strähnen, die ihr seitlich vom Kopf abstanden. Und ich dachte, daß sie sich wacker hielt für ein Mädchen, das wahrscheinlich noch nicht alt genug war, einen Drink in einer Bar zu bestellen. Wenigstens hatte sie das Baby nicht gehauen.
    »Ich bin Ihnen so dankbar«, sagte sie. »War sie mitten auf der Straße?« Sag nein, flehte ihr Blick. Sag wenigstens, daß sie am Straßenrand gegangen ist.
    »Nun -«
    »Ich bin auf der Linie gegangen«, sagte das Mädchen und zeigte darauf. »Das ist wie der Zebrasteifen.« Ihre Stimme nahm einen leicht rechtschaffenen Tonfall an. »Zebrasteifen ist sicher.«
    Matties Wangen, die blaß waren, wurden noch blasser. Es gefiel mir nicht, sie so zu sehen, und es gefiel mir nicht, daß sie
in diesem Zustand nach Hause fahren wollte, besonders mit einem Kind.
    »Wo wohnen Sie, Mrs. -?«
    »Devore«, sagte sie. »Ich

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