Sarah Boils Bluterbe (German Edition)
mein Gesicht, wie das einer Puppe aus einem Wachsfigurenkabinett. Starr und ohne jegliche Bewegung.
Am Klösterchen angekommen, lenkte Lionel den Wagen in eine kleine Einfahrt und parkte den alten Mercedes auf dem Hinterhof der kleinen Kapelle, die direkt vor uns lag. Er stieg aus, lief rasant und dennoch behänd, wie ein Windzug um den Wagen und öffnete mir die Türe. Ich nickte still. Er schloss das Fahrzeug ab und ging schnellen Schrittes über den schmalen Innenhof. Vor einer kleinen, alten und hölzernen Hintertüre blieb er stehen und klopfte leise. Keine zehn Sekunden später hörten wir eine Stimme.
„Wer ist da?“
Lionel sagte leise: „ Der Wärter.“
„Zu so später Stunde?“ Raunte eine fremde, recht junge Stimme hinter dem Holz.
„Ein Gast ist zu jeder Zeit willkommen,“ antwortete Lionel geschwind.
Einen Moment lang geschah nichts, dann wurde vorsichtig die kleine Luke geöffnet, die sich in der Türe befand und ein junges Gesicht blicke vorsichtig hindurch. Ich hatte Lionel bereits eingeholt und flüsterte fragend: „Codewort?“
Er nickte nur stumm. Man gewährte uns Einlass und wir traten über die Schweller der kleinen Kapelle. Der junge Mann trug eine schwarze Bundfaltenhose und ein ebenso schwarzes Kollarrhemd. An seinem weißen Kollarkragen, der mit zwei Kragenknöpfchen mit Klappmechanismus verschlossen wurde, konnte man erkennen, dass er bereits Priester war. Ehe ich etwas fragen konnte, sagte er: „Bitte warten sie hier.“ und verschwand.
Kurz darauf öffnete sich eine Türe am anderen Ende der Kapelle. Ein älterer Herr winkte uns zu sich und verschwand wieder hinter der Türe. Ich blickte Lionel fragend an.
„Das ist Pater Aurelius, er wird uns in seiner Kammer empfangen.“
Während wir an den alten Gebetsbänken entlang liefen, fragte ich: „Wieso kannst du eigentlich eine Kirche betreten?“
Belustigt erwiderte er: „Das sind Ammenmärchen, dass unsere Spezies das nicht kann. Alles nur alte und dumme Geschichten.“
„Sind wir denn nirgends vor euch sicher?“
Er lächelte siegessicher. „Nein, seid ihr nicht.“
Ich schluckte, das waren ja hervorragende Aussichten.
„Und was hat die Kirche mit dir zu tun?“
„Nichts, ich kommuniziere ausschließlich mit Pater Aurelius. Ihm ist genauso viel daran gelegen, die Welt vor einer Apokalypse zu bewahren, wie mir.“
Ich stutzte. „Wieso ist dir das eigentlich so wichtig? Für dich müsste es doch von Vorteil sein, wenn du wieder jagen könntest. Warum willst du plötzlich die Menschheit retten?“
„Weil es ein ewiger Kampf wäre. Es gibt so viele Mächte, die eingreifen würden, glaub mir, das wäre kein Spaß.“
„Mächte? Was für Mächte?“
„Später, alles zu seiner Zeit.“
Wir betraten einen kleinen, einfach eingerichteten Raum. Lionel schloss leise hinter sich die Türe. Ein freundlicher älterer Mann, mit warmer und gutmütiger Stimme, begrüßte uns und bat uns auf einer klapprigen Holzbank Platz zu nehmen. Der Raum war karg und einfach eingerichtet. Ein dunkler und abgenutzter Sekretär im Kolonialstil befand sich gleich links neben einem hohen, schmalen und zerkratzten Holzschrank und neben der Sitzbank, auf der wir nun saßen, stand ein kleiner, aus Eisen geschmiedeter Rollwagen, der mit keinen Schubfächern versehen war. Auch dieses Möbelstück hatte sicher einige Jahrzehnte hinter sich gelassen. An den Wänden hingen lediglich ein altes Messingkreuz und ein alter, verschnörkelter Bilderrahmen, in dessen Fassung ein Abbild Jesu prangte. Ansonsten waren die Wände kahl. Der Pater inspizierte mich von oben bis unten und schenkte mir ein warmes Lächeln.
„Das ist sie also. Ich bin Pater Aurelius, ich begrüße dich.“
Er hielt mir seine faltige, blasse Hand entgegen und griff damit wider Erwarten fest zu. Ich nickte und blickte ihn unsicher und fragend an. „Ja, guten Abend.“
„Du hast sicher sehr viele Fragen, die ich dir aber auf die Schnelle nicht beantworten kann. Ich denke Lionel, wird dir schon ein wenig ausführlicher erklärt haben, was hier heute geschieht. Unser selbsternannter Wärter der Stadt,“ während er diese Worte aussprach, konnte er sein Schmunzeln nicht verbergen und reichte Lionel die Hand und sagte:
„ Mein Freund, auf dass du immer auf diesem Weg bleiben wirst!“
Er machte zwei Schritte auf seinen Sekretär zu, wühlte in einem Packen alter Blätter und wirkte einen Augenblick abwesend. Er kam eher einem alten, schusseligen Bibliothekar gleich, als
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