Sarah Boils Bluterbe (German Edition)
nicht mehr zu denken. Hellwach lag ich nun wie ein Marienkäfer auf dem Rücken einfach so da, streckte alle Viere von mir und starrte Löcher in die Luft. Diese überaus anstrengende Berg-und-Talfahrt der Gefühle machte mir schwer zu schaffen.
Also sprang ich aus dem Bett, schnappte mir ein paar Klamotten, lief ins Badezimmer, sprang schnell unter die Dusche, kleidete mich einigermaßen ordentlich und verließ rasch das Haus. Von unterwegs aus rief ich mit dem Handy Mary an, bat sie, Kaffee aufzusetzen. Als ich vor ihrer Türe parkte und ausstieg, war es wieder da. Dieses seltsam vertraute Gefühl. Diese intensive und doch befremdliche Nähe in mir. Lionel! Er musste irgendwo unweit von mir sein, doch ich konnte ihn mit dem bloßen Auge nirgends erblicken. Also beeilte ich mich ins Haus zu kommen und schmiss mich, bei Mary gleich auf das bordeauxrote Sofa und erzählte ihr bei einer Tasse Kaffee und einer Zigarette, was in der Nacht geschehen war. Ihre Augen wurden hinter ihren kleinen eckigen Brillengläsern mit der roten Fassung immer größer und hektisch überfiel sie mich mit zahllosen Fragen. Als ich mit meiner Erzählung am Ende angekommen war, pfiff sie durch die Zähne.
„Potz Blitz und das alles ohne mich! Das ist ja das Hammer! Was machen wir denn jetzt? Wir müssen doch irgendwas tun?“
„Die Frage ist nicht, was wir machen, sondern wo fängt man bloß an?“
„Hm…lass uns mal in diesen Rosengarten fahren und uns das Ganze bei Tageslicht anschauen. Wenn ich es nicht mit eigenen Augen sehen kann, dann kann mein Gehirn das irgendwie nicht glaubhaft umsetzen.“
Ich seufzte: „Du hast Recht, ich kann es selbst nicht glauben. Ich fühle mich teilweise immer noch wie in einem nicht enden wollenden bösen Traum.“
Mary sprang auf, rannte durch die Wohnung, knipste die alte, blaue Kaffeemaschine aus, riss die Jacke von der Garderobe und rief mir zu: „Hopp hopp, worauf wartest du? Lass uns los. Hier rumhocken bringt uns auch nicht weiter.“
Keine zwanzig Minuten später parkten wir den Wagen exakt in der gleichen Parktasche wie am Abend zuvor und liefen den Weg entlang, den ich mit Lionel am Abend zurück gelegt hatte. Alles wirkte an diesem Morgen friedlich wie immer. Die Sonnenstrahlen tauchten die Natur in eine trügerische und friedliche Stille. Das satte Grün der Bäume und Sträucher, sowie die wundervollen Rosen ließen von den Geschehnissen vom Vorabend nichts mehr übrig. Mary stapfte neben mir her und quiekte: „Ist das nicht herrlich hier? Ach ist das schön. Und wie die Blumen duften. Dass ich vorher noch nie hier war ist eine Schande.“
„Ja,“ nickte ich. „Es ist ein wundervoll friedlicher und schöner Ort. Zumindest bei Tageslicht.“
Auf der kleinen Bank neben einem der Rosenbeete saß ein älteres Ehepaar und hielt sich an den Händen. Sie saßen einfach da, betrachteten die Schönheit der Natur und genossen den warmen Sommermorgen. Wenn sie wüssten, was hier wirklich geschah, hätten sie längst Reißaus genommen. Meine Gedanken zogen Kreise. Für einen winzigen Augenblick spürte ich Wehmut aufkommen und dachte an Martin. Ob wir jemals so auf einer Parkbank enden würden?
„Die Menschheit wiegte sich in Sicherheit, sie wissen nicht im Geringsten, was um sie herum geschieht.“
Versunken warf ich einen letzten Blick auf die Beiden.
Mary grinste bis über beide Wangen: „Ja das ist vielleicht auch besser so. Wäre doch schade, wenn die Zwei da mit einem Herzinfarkt von der Bank fallen würden. Sie würden mit dem Kopf vorne auf den Gehweg plumpsen. Das sähe wirklich nicht besonders schön aus. Das Blut würde langsam in die Erde versickern und …….“
„Mary,“ schimpfte ich. „Wie kannst du so etwas sagen? Geschweige denn denken?“
„Ja ist doch so, ich spreche nur aus, was andere Menschen im Stillen denken.“
Schuldbewusst, jedoch mit lausbubenhaftem Grinsen fügte sie hinzu: „Hast ja Recht, aber fressen würde die doch sowie so keiner mehr, oder? Das Blut gerinnt doch jetzt schon, die sind über Achtzig. Vielleicht hat er ja auch schon was an der Prostata“
Jetzt ging sie zu weit. „Sag mal, kannst du noch klar denken, oder bist du jetzt von allen guten Geistern verlassen? Was redest du denn da?“
„Ist ja schon gut, ich meine ja nur. Das war jetzt nicht böse gemeint, ich wollte nur die Stimmung ein wenig auflockern.“
„Du hast ja einen Humor, echt.“
Sie zuckte mit den Schultern und stapfte weiter neben mir her.
„Sarah, komm
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