Sarah Dearly Bd. 5 - Verliebt, verlobt, verbissen
knurrte vor Hunger.
»Marcellus gab sich mir in unserer ersten Liebesnacht als Vampir zu erkennen«, fuhr sie unbeirrt fort. »Er schämte sich und fürchtete, dass ich ihn auf der Stelle vor Angst und Abscheu verlassen würde. Aber das tat ich nicht. Ich bat ihn, mich zu zeugen, und das tat er. Da er bereits ein Meistervampir war, war ich von Anfang an sehr stark, und er brachte mir bei, wie man überlebte.« Sie seufzte bei der Erinnerung. »Wie sehr ich ihn geliebt habe.«
»Und dann hat Marcellus dich verlassen und mit einem jüngeren Zögling angebandelt. Das weiß ich schon, Veronique. Die Einsamkeit während der Pest hat dich dazu gebracht, Thierry zu zeugen, und der Rest ist Geschichte. Ich meine … Vergangenheit . Gideon will, dass ich dich aussauge, damit ich stärker werde. Interessiert dich das denn überhaupt nicht?«
»Natürlich«, entgegnete sie scharf. »Aber ich bin schon mit deutlich schlimmeren Situationen zurechtgekommen. Ich habe bis heute überlebt, indem ich getan habe, was getan werden musste. Und ja, Marcellus hat mich verlassen.« Ihre Stimme brach. »Der Betrug versetzt mir immer noch einen Stich. Aber nach allem, was zwischen uns geschehen ist, weiß ich, dass er mich genauso geliebt hat wie ich ihn. Am Ende hat er sich geopfert, um mich zu retten. Das war wahre Liebe.«
Mein Blickfeld hatte sich langsam auf sie beschränkt und ihre Stimme wurde ein winziges Summen, das ich leicht ignorieren konnte. »Das war eine hübsche Geschichte. Wozu war sie noch mal gut?«
»Wenn Thierry dich so liebt, wo ist er dann jetzt?«, fragte sie.
»Warum? Glaubst du, dass er sich wie Marcellus opfern würde, um dich zu retten?«
Aus ihren Augen sprach immer noch keine Angst, nur Mitleid. Für mich. »Ich lebe schon sehr lange, ohne dass jemand gekommen wäre, mich zu retten.«
Meine Lippen verzogen sich langsam zu einem Lächeln. »Ehrlich, Veronique, du hättest diese Annullierungspapiere wirklich unterschreiben und zu deinem fabelhaften Leben nach Europa zurückkehren sollen. Dir die Hände nicht mit diesem ganzen Mist schmutzig machen sollen. Aber nein , du musstest Thierry mit beiden Händen festhalten – einen Mann, den du nicht liebst -, damit ihn keine andere bekommt.«
»Dann hat Gideon womöglich recht. Vielleicht solltest du die Gelegenheit ergreifen, mich zu töten. Wenn man will, gibt es viele Möglichkeiten, einen Vampir zu töten, sogar einen Meistervampir.« Sie musterte mich. »Deine Augen sind jetzt ganz schwarz, Liebes.«
»Vielleicht muss ich mich damit abfinden, dass ich eine Nachtwandlerin bin.«
»Es ist nur ein unglücklicher Fluch. Du bist nicht wirklich so.«
»Du bist nicht die Erste, die das sagt, aber ich fühle mich wie eine Nachtwandlerin, und ich verhalte mich wie eine Nachtwandlerin. Es ist so gut wie unmöglich, dass ich diese Seite noch einmal wieder loswerde. Es ist echt.«
»Nein«, erklärte sie mit Nachdruck. »Es ist nur ein Zauber, und ein Zauber ist nicht dasselbe wie die Realität.«
»Gideon wird jedenfalls keine von uns hier herauslassen, bevor ich nicht getan habe, was er von mir verlangt. Und seltsamerweise wird es immer leichter, je länger du sprichst.«
Ich war sehr durstig. Ganz ausgetrocknet. Ich verzehrte mich vor Lust nach Blut. Ich hatte mich dagegen gewehrt, seit ich ein Vampir geworden war, fand es wirklich widerlich und abstoßend und unhygienisch. Es war eine Sache, in einem Vampirclub Blut vom Fass zu trinken, aber es war eine andere, es direkt aus der Quelle zu beziehen. Es waren unterschiedliche Sitten – das eine war gut, das andere schlecht. Das eine machte mich normal, das andere machte mich zum Monster. Dennoch war es Blut.
Meine ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf den Puls an Veroniques Hals – ein Puls, der seit siebenhundert Jahren schlug. Er hatte immer weitergeschlagen. Und auf einmal gab es für mich nichts anderes mehr auf der Welt.
Ich streckte die Hand aus, um diesen Puls zu berühren und spürte, wie das Blut unter der Hautoberfläche pulsierte. Es fühlte sich an, als würde die Kraft in Wellen von ihr ausgehen. Gideon hatte mit so vielem recht. Wenn ich von ihr trank, würde ich noch mächtiger werden.
Wenn ich sie austrockne, erklärte meine Nachtwandlerin, während ich mich mit meinem Mund Veroniques Hals näherte, bin ich einige Probleme los.
Ja , dachte ich. Vielleicht hast du recht .
Plötzlich schlug Veronique mich ziemlich heftig mit der freien Hand ins Gesicht.
»Geh weg«, zischte sie.
Ich
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