Sarah Maclean
Nick trat zu ihnen und
forderte sie mit einer tiefen Verneigung zu diesem Tanz auf.
Gern ließ sie sich von ihrem zukünftigen Schwager auf die
Tanzfläche führen, und bald standen sie auf der anderen Seite
des Saals. Nach der Quadrille wurde sie zu einem Kontretanz
aufgefordert, eine zweite Quadrille, ein Menuett, und so ging es
weiter, bis sie am Ende der ersten Ballhälfte jeden Tanz getanzt
hatte. Und sie genoss es in vollen Zügen.
Während sie mit Lord Weston durch den Saal schlenderte, ei-
nem reizenden jungen Mann, der einmal ein Herzogtum erben
sollte, staunte sie über die merkwürdige Wendung, die ihr Le-
ben genommen hatte. Von der Jungfernecke zur belle des Balls, und alles, was es dazu gebraucht hat, war ein Heiratsantrag.
Sie hielt inne. Ein Heiratsantrag von Ralston.
Ralston.
Und dann stand er vor ihr, als hätte sie ihn herbeigewünscht.
Er nahm sie am Ellbogen, geleitete sie am Rand der Tanzfläche
entlang. „Genießt du den Abend?", fragte er sie unschuldig.
„Du weißt ganz genau, dass ich den Abend genieße", sagte sie
mit zusammengebissenen Zähnen. „Du hat das mit Absicht ge-
macht!"
Zu ihrer Überraschung bog er plötzlich ab und zog sie durch
eine unauffällige Tür hinaus auf einen kleinen, verschwiegenen
Balkon. „Ich weiß nicht, wovon du redest."
Sie sah ihn an, sein Profil zeichnete sich dunkel ab vor dem
goldenen Kerzenschein aus dem Saal. „Du hast sie dazu ge-
bracht, mit mir zu tanzen! Wegen meiner Liste! Wie peinlich!"
Sie atmete tief durch und drehte sich wieder um, um auf den
dunklen Park hinauszublicken. „Wie peinlich!", wiederholte
sie.
„Callie", sagte Ralston, offenkundig verwirrt. „Ich habe ehr-
lich keine Ahnung, wovon du sprichst."
Sie sah hinauf in den sternenübersäten Himmel. „Auf einem
Ball keinen einzigen Tanz aussetzen", sagte sie ruhig. „Ralston, ich habe in meinem Leben noch nie so viel getanzt wie heute
Abend. Du willst mir doch nicht erzählen, dass du nichts damit
zu tun hast. Du hast die Liste doch gesehen."
„Ich will dir tatsächlich erzählen, dass ich nichts damit zu
tun habe", meinte er, „weil ich nämlich nichts damit zu tun
habe."
Sie drehte sich wieder zu ihm um. „Eigentlich ist das ja auch
sehr lieb, dass du dir solche Mühe gibst, mir beim Abarbeiten
meiner Liste zu helfen. Wahrscheinlich sollte ich mich bei dir
bedanken."
„Du kannst mir gern danken, meine Schöne, aber ich habe
wirklich nichts damit zu tun." Er tat einen Schritt auf sie zu.
„Soll ich es dir beweisen?"
Sie spürte seine Körperwärme, die ihr an diesem kühlen
Frühlingsabend sehr willkommen war. „Bitte sehr."
„Ich sehe dir nicht gern dabei zu, wenn du mit anderen Män-
nern tanzt. Mir wäre es viel lieber, wenn wir nie mehr auf einen
Ball gehen würden, damit ich nie wieder zusehen muss, wie eine
Reihe Schurken die Gelegenheit nutzt, dich viel zu vertraulich
zu berühren."
Empört keuchte sie auf. „Das war doch nicht vertraulich!"
„Du wirst dich daran gewöhnen müssen, dass ich derartige
Dinge anders beurteile." Er kam noch näher, sodass kaum noch
ein Zoll Abstand zwischen ihnen war. Er strich ihr eine Locke
aus dem Gesicht. „Sie waren vertraulich. Vor allem bei Weston."
Das entlockte ihr ein Lachen. „Lord Weston ist wahnsinnig
in seine Frau verliebt." Lady Weston galt allgemein als eine der
schönsten Frauen Londons.
„Neben dir verblasst sie aber", erklärte er ernst, köstliche,
wunderbare Worte.
Callie errötete. „Dann warst das wirklich nicht du?"
Er schüttelte den Kopf, um. seine Lippen spielte ein Lächeln.
„Wirklich nicht, Kaiserin. Mich überrascht es gar nicht, dass sie
mit dir tanzen wollen. Schließlich bist du heute Abend bemer-
kenswert schön."
Er hob ihr Kinn an, und ihr fehlten die Worte. „Ach?"
„Ja", sagte er, umfasste ihre Wangen und drehte ihren Kopf
gerade so, dass er sie küssen konnte. Er labte sich an ihrem Ge-
schmack, knabberte an ihrer vollen Unterlippe und bemächtig-
te sich dann ihrer Lippen zu einem tiefen, leidenschaftlichen
Kuss, bei dem ihr die Knie weich wurden. Mit der Zunge strich
er an der Innenseite ihrer Unterlippe entlang, drang tief in sie
vor, um ihre Süße zu schmecken. Sie seufzte in seinen Mund, be-
gierig auf mehr, wäre mit ihm gern anderswo gewesen, irgend-
wo, wo sie sich aneinander ergötzen konnten. Sie drängte sich
an ihn, begierig nach seiner Wärme, und als in ihrem Magen
ein Feuerband aufzüngelte,
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