Sarah Maclean
..."
„Wann?", wiederholte sie lauter.
„Am Nachmittag nach dem Verlobungsball deiner Schwes-
ter."
Callie verzog das Gesicht. „An dem Tag, an dem du mich zum
Tanzen aufgefordert hast."
Seine Augen weiteten sich, als er den zeitlichen Zusammen-
hang bemerkte. „Callie ..."
„Nein." Sie schüttelte den Kopf. „Und wann hast du den Ein-
satz verdoppelt?"
Als er nicht antwortete, fragte sie Oxford: „Wann hat er ihn
verdoppelt?"
Oxford zögerte. „Dienstag."
An dem Tag hat er mir den Heiratsantrag gemacht. Noch vor
Kurzem hatte er sie lediglich als Gegenstand einer Wette be-
trachtet.
„Ich hätte es wissen sollen", wisperte sie so traurig, so ver-
stört, dass Ralston glaubte, ihm müsse das Herz brechen. „Ich
hätte wissen müssen, dass du nicht wirklich ... dass du nie-
mals ..." Ihre Stimme verklang. Sie atmete tief durch, bevor sie
zu ihm aufsah. In ihren braunen Augen glitzerten Tränen. „Ich
hätte dich auch so bei Juliana unterstützt. Ich hätte alles getan,
worum du mich gebeten hättest."
Dass sie ihm so unverbrüchlich verbunden gewesen war,
überwältigte sie, und ihr lief eine Träne die Wange hinab, die
sie ärgerlich wegwischte. Sie hörte kaum noch die Geräusche,
die vom Ball zu ihnen drangen, so rauschte ihr das Blut in den
Ohren. Eine Welle altvertrauter Unsicherheit schlug über ihr
zusammen.
Sie war einfach unglaublich dumm gewesen.
Wie oft hatte sie sich gesagt, dass Ralston nicht für sie be-
stimmt war? Dass sie zu reizlos, zu plump, zu unerfahren und
uninteressant war, um sein Interesse zu fesseln. Wie oft war sie
gewarnt worden? Von ihrer Familie, ihren Freundinnen, sogar
seiner Geliebten, du liebe Güte! Und dennoch hatte sie sich er-
laubt, daran zu glauben, dass der Traum Wirklichkeit werden
konnte. Dass eines Tages die Welt in eine kleine Schieflage ge-
raten war und Ralston sich einfach so in sie verliebt hatte. Und
dabei hatte er nur ... Wetten auf ihre Zukunft abgeschlossen.
Mit ihren Gefühlen, ihrer Liebe gespielt, als wäre sie ein Spiel-
zeug, das man benutzte und dann beiseiteschob.
Und sie fühlte sich gründlich beiseitegeschoben.
Es fiel ihr so leicht zu glauben, dass sie ihm so wenig bedeu-
tete. Es war so verlockend, in die Unsichtbarkeit zurückzukeh-
ren, die von ihrem Dasein als abwartendem Mauerblümchen
rührte und in der sie sich so behaglich eingerichtet hatte.
Und das schmerzte sie am meisten.
Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und straffte die
Schultern, und dann sagte sie ausdruckslos: „Sie haben ge-
wonnen, Mylord. Denn ich werde nicht nur Lord Oxford nicht
heiraten, Sie heirate ich auch nicht. Ich entbinde Sie von der
Verlobimg. Sie sind frei und können Ihr zügelloses, lasterhaftes
Leben wieder aufnehmen."
Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, um sie aufzuhalten,
um alles zu erklären - seinen albernen Stolz, seinen lächerli-
chen, unvernünftigen Zorn auf diesen idiotischen Oxford -, aber
sie unterbrach ihn, bevor er überhaupt etwas sagen konnte. „Ich
möchte Sie nur bitten, dass Sie sich von mir fernhalten."
Und dann war sie fort, war an Benedick und Oxford vorbei in
den Ballsaal getreten. Mariana folgte ihr auf dem Fuß.
Ralston wollte ihr nachgehen; ihre neu entdeckte Stärke, ihre
kraftvolle Sicherheit, ihre Entschlossenheit, keine halbherzi-
gen Kompromisse einzugehen, verunsicherten ihn ebenso, wie
sie ihn stolz machten. Er wollte sie aufhalten und ihr die ganze
Wahrheit erzählen - dass es ihm nicht um Julianas Debüt ging
oder um den Ruf seiner Familie oder dergleichen.
„Lassen Sie sie in Ruhe." Die harten, gefühllosen Worte ka-
men vom Earl of Allendale, der sich zwischen Ralston und der
Tür zum Ballsaal aufgebaut hatte, sobald seine Schwester ge-
gangen war.
„Ich wollte sie nicht verletzen. Die Wette hat überhaupt
nichts zu bedeuten. Ich brauche das Geld nicht, das wissen Sie
doch, Allendale."
„Ja, das weiß ich, mir ist aber noch nicht klar, was Sie geritten
hat, mit diesem albernen Spiel weiterzumachen", erklärte Al-
lendale unbewegt und sah Ralston herausfordernd an. „Trotz-
dem haben Sie sie verletzt. Und wenn Sie sich ihr noch einmal
nähern, schlage ich Sie zusammen. Wir werden auch so schon
alle Hände voll zu tun haben mit der gelösten Verlobung."
„Die Verlobung ist nicht gelöst." Raistons Stimme klang
stählern.
„Lassen Sie doch, Ralston, sie ist es nicht wert", sagte Oxford
munter.
Ralston drehte sich zu dem
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