Sarah Pauli 03 - Tod hinter dem Stephansdom
«
Scheißkerl. Solche derben Ausdrücke hatte seine Mutter in seiner Gegenwart noch nie verwendet.
» Du machst es auch für dich, Mama. Immerhin ist eine gute Reputation der Firma auch ein Garant für dein finanzielles Auskommen. «
» Was für ein Glück, dass ich nicht vom guten Ruf unserer Firma abhängig bin, sondern einen reichen Ehemann abbekommen hab’ « , kam es zynisch aus Romys Mund.
» Hör auf, dich immer als die vernachlässigte Tochter hinzustellen. Du hattest die gleiche Chance wie ich, Romy. «
» Pah « , kam es verächtlich. » Du weißt, dass das nicht stimmt, Philipp. Es ging immer nur um dich. Um dich und deine guten Noten. Um dich und dein vorbildliches Zeugnis, die mit Auszeichnung bestandene Matura. Dein Studium. Nimm dir ein Beispiel an deinem kleinen Bruder, Romy! Schau ihn dir an, Romy! « , äffte sie den Tonfall ihres Vaters nach. » Also Romy, ein Betriebswirtschaftsstudium, etwas anderes kommt nicht in Frage … Such’s dir aus. «
» Er hat dir die Boutique in der Innenstadt gekauft. Das wolltest du doch. Dein Geschäft läuft gut, soweit ich weiß. Zusätzlich fließt aus der Stiftung ganz schön viel Geld auf dein Konto, und Olivers Geld gibst du auch mit beiden Händen aus. Also beschwer dich nicht. «
» Du bist wie er « , kam es verächtlich. » Verdrehst einem die Worte im Mund, nur um Recht zu behalten. «
» Hört beide auf « , sagte Veronika Brand scharf. » Lasst uns lieber überlegen, was jetzt alles zu tun ist. Immerhin müssen wir ihn noch standesgemäß unter die Erde bringen. « Sie öffnete noch eine Flasche Champagner und schenkte sich und ihrer Tochter großzügig nach.
Dann begannen sie über die anstehenden Formalitäten zu sprechen, als würden sie über den Verkauf einer Liegenschaft diskutieren. In welchem Zustand er seinen Vater aufgefunden hatte und das Kokain erwähnte Philipp Brand nicht. Es war besser so.
Als sie alles durchgegangen waren und er sich verabschieden wollte, sagte seine Mutter plötzlich: » Übrigens war die Polizei bei mir. Du hättest mir ruhig sagen können, dass Drogen im Spiel waren. Und du hättest mir auch sagen können, dass er, so wie’s aussieht, kurz vorher mit einer seiner Gespielinnen geschlafen hat. Du musst mich nicht schonen, Philipp. Ich bin eine erwachsene Frau. «
Philipp starrte seine Mutter fassungslos an. Natürlich war die Polizei auch bei seiner Mutter gewesen. Wie dumm von ihm, nicht daran gedacht zu haben. » Du wusstest Bescheid? «
» Ich war mit ihm verheiratet. Schon vergessen? Natürlich hab’ ich mitbekommen, dass er Kokain schnupft. Ich weiß, dass er das Zeug seit Jahren regelmäßig nimmt. Anfangs war es nur wenig und selten, nur wenn er durchgearbeitet hat. Aber später … « Sie machte eine abfällige Handbewegung. » Hast du nichts bemerkt? Er hat doch bei dir gewohnt. «
» Das hört sich ja an, als wäre er ein Pflegefall gewesen, Mama! Er hat nicht bei mir, sondern lediglich im selben Haus im ersten Stock gewohnt, und du weißt genau, dass es in unser beider Privatleben kaum Berührungspunkte gab. Außerdem wissen wir alle, dass er die meiste Zeit in der Firma verbrachte. Anita und ich haben ihn tagelang nicht gesehen. Wie also hätte ich es bemerken können, dass er kokst? «
Philipp Brand zeigte abwechselnd auf sich und seine Schwester. » Und warum hast du uns nichts gesagt? «
» Was hätte ich euch sagen sollen? Dass euer Vater ein kokainsüchtiges Scheusal ist? Hättet ihr mir geglaubt? Philipp? Denk doch einmal darüber nach! Euer Vater war ein Genie, wenn es darum ging, die Wahrheit zu verdrehen. «
Er wusste, dass sie Recht hatte. In der Schule spielte Philipp Theater. Sein Vater versäumte jede Schulaufführung. » Deine Mutter hat mir nicht Bescheid gegeben « , war sein einziger Kommentar. Philipp hatte ihm das lange Zeit geglaubt und war auf seine Mutter wütend gewesen. Dabei war auch das eine Lüge.
Gab es zwischen seinen Eltern Streit, verdrehte sein Vater die Fakten derartig, dass es am Ende so aussah, als ob seine Frau allein schuld an den Zwistigkeiten gewesen wäre. Sein Vater konnte sich mit allen Mitteln durchsetzen, und anscheinend waren Lügen seine besondere Spezialität gewesen. Ein großer Meister war er auch darin, ein schlechtes Gewissen bei anderen zu erzeugen. Wie oft hatte Philipp als Kind unter dem Gefühl gelitten, seinem Vater im Weg zu sein. Ihn bei der Arbeit oder in seiner Konzentration zu stören. Wie oft hatte er still dagesessen und
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