Sarah Pauli 03 - Tod hinter dem Stephansdom
kaum etwas sehen. Er orientierte sich an den Rücklichtern des Wagens vor ihm.
Die Stilvilla, in der seine Mutter seit zwei Jahren wohnte, lag am Wilhelminenberg.
Oskar Brand hatte sie vor vielen Jahren als Anlage gekauft und vermietet. Leichtsinnigerweise quartierte er seine Geliebte dort eine Zeitlang ein. Er ging davon aus, dass niemand etwas davon mitbekommen würde, da es weit genug entfernt von dem Familienwohnsitz am Küniglberg war. Außerdem sollte es nur zur Überbrückung sein, ein paar Wochen, bis sie eine neue Wohnung gefunden hätte. Er hatte sich getäuscht. Als seine Frau davon erfuhr, warf sie die Geliebte kurzerhand hinaus, und mit ihr das gesamte Mobiliar. Dann ließ sie die Villa aufwändig renovieren und zog selbst dort ein. Sein Vater hatte ihre Entscheidung akzeptiert und nie ein Wort darüber verloren. Über private Probleme zu reden passte nicht in seine Welt.
Dass sein Vater eine Geliebte hatte, war nicht ungewöhnlich und hatte nicht den Ausschlag gegeben für die Reaktion seiner Mutter. Aber dass er dieser Frau eine Wohnmöglichkeit in einem Haus verschaffte, das der Familie gehörte, brachte das Fass zum Überlaufen.
In der Einfahrt sah er den Geländewagen seiner Schwester stehen. Er parkte seinen Wagen dahinter, blieb noch einen kleinen Moment bei abgeschaltetem Motor sitzen, seufzte tief und stieg aus.
Romy öffnete ihm, noch bevor er angeläutet hatte. Ihre langen blonden Haare trug sie offen über die Schulter. Sie sah zufrieden aus und lächelte ihn an. In der rechten Hand hielt sie ein Glas Champagner.
» Ihr feiert offensichtlich schon « , meinte er etwas irritiert.
» Der König ist tot, lang lebe der König! « , prostete sie ihm zu. » Jetzt gehört der Laden dir! «
Er verkniff sich einen missbilligenden Kommentar und meinte nur: » Hör auf, Romy. Wo ist die Mama? «
» Im Wohnzimmer. «
Seine Schwester drehte sich galant auf dem Absatz um und ging voran.
Auch seine Mutter machte nicht den Eindruck einer trauernden Witwe, sondern hielt, wie seine Schwester, ein Glas Champagner in der Hand. Als er eintrat, hielt sie das Glas in die Höhe und stieß mit sich selbst auf den Tod ihres Mannes an.
» Da hat sich jemand gekonnt um die Scheidung gedrückt. Wenn er glaubt, auf diese Art billiger davonzukommen … « Sie zuckte mit den Achseln. » Mir soll’s recht sein. «
Die Verachtung in ihrem Blick war beängstigend. Philipp Brand fragte sich schon seit Langem, was sie so hasserfüllt gemacht hatte.
Dass die Geliebte seines Vaters in dem Haus gewohnt hatte, war sicher nicht der einzige Grund für die Trennung seiner Eltern gewesen. Es musste mehr zwischen ihnen vorgefallen sein. Diese Vermutung begrub augenblicklich jede Hoffnung, dass der Tod des Vaters seine Mutter versöhnen könnte.
Er fuhr sich mit der rechten Hand über die Augen.
» Kannst du wenigstens für die Öffentlichkeit die trauernde Witwe spielen? Vor allem der Presse gegenüber, die wird sicher bald anrufen « , sagte er strenger als beabsichtigt.
» Oh, die hat sich schon gemeldet. Ich habe jede Menge Telefonate geführt, Radio, Fernsehen, Zeitungen … «
» Du hast doch hoffentlich kein Interview gegeben? « Er versuchte erst gar nicht, die Panik in seiner Stimme zu verbergen.
Der Blick seiner Mutter wechselte zwischen Romy und ihm hin und her, dann schenkte sie sich den Rest Champagner ein und prostete ihnen beiden zu.
» Nein. Bis jetzt noch nicht. Aber einen Termin für morgen habe ich vereinbart, mit einer Journalistin vom Wiener Boten . «
» Sag ihn ab, Mama. Bitte sag diesen Termin ab « , flehte Philipp Brand sie an. » Du weißt, dass diese Journalisten dir das Wort im Mund umdrehen … gerade so, wie sie’s brauchen. Das wäre im Moment nicht gut, gar nicht gut! «
» Warum? Gibt es etwas, das wir verheimlichen müssen? « Sie sah ihn lange und durchdringend an. » Hat dein Vater sogar beim Sterben Mist gebaut? «
Er schwieg.
» Gut. Wenn du es mir nicht sagen willst, irgendwann erfahre ich es sowieso. « Wieder sah sie von einem zum anderen. » Ich sag’ das Interview ab. Das mach’ ich aber nur für euch beide. Nicht für euren Vater. « Wieder hielt sie ihr Glas in die Höhe. » Möge der Scheißkerl in der Hölle schmoren. «
Philipp Brand sah sie befremdet an.
» Was ist? Dort wollte er doch immer hin « , fügte sie ironisch hinzu. » Um sich zu vergewissern, ob ich eh dort angekommen bin, wie er immer gesagt hat. Jetzt ist er eben schon vor mir dort.
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