Sarah Pauli 03 - Tod hinter dem Stephansdom
die Wut.
Dieses alles vernichtende Feuer trieb sie an, die Wut über die Gleichgültigkeit dessen, der für Renates Tod verantwortlich war: Oskar Brand. Nicht einmal zum Begräbnis war er gekommen. Sie hatte zur Kenntnis nehmen müssen, dass das Leben dieses gewissenlosen Arschlochs einfach so weiterging – ohne jede Veränderung, ohne Beeinträchtigung, ohne Reue.
Und nach und nach begann ihr Plan zu reifen.
Sie klappte das Fotobuch zu. Es war höchste Zeit aufzubrechen.
Das Privat wurde allmählich voller. Männer und Frauen kamen herein, sahen sich um und setzten sich entweder an die Bar oder verzogen sich in die hinteren Räumlichkeiten. Einige der Leute kannte sie aus der Zeitung oder aus dem Fernsehen. Andere waren ihr vollkommen unbekannt. Die Musik war laut genug, um sich nicht unterhalten zu müssen. Wollte man dies doch tun, so musste man mit seinem Gegenüber ein wenig auf Tuchfühlung gehen. Die meisten Leute waren jedoch vor allem mit sich selbst beschäftigt.
Niemand beachtete sie.
Sie setzte sich an die Bar.
» Hallo. Was darf’s sein? «
Die Barfrau lächelte freundlich. Wenn sie sich richtig erinnerte, hieß sie Jenny. Eine echte Schönheit. Im hinteren Bereich servierte Anna. Auch den Namen hatte sie sich gemerkt.
» Einen Gin Tonic, bitte. «
Während Jenny ihr Getränk zubereitete, tauchte plötzlich Mario Kaiser hinter der Bar auf. Woher war der auf einmal gekommen? Er bedachte sie mit einem kurzen Nicken.
Sie war fremd hier. Die anderen Gäste wurden mit Umarmung und Wangenküsschen begrüßt. Zwei dicke Frauen saßen ihr gegenüber an der Bar. Auch sie waren mit sich selbst beschäftigt und beachteten sie nicht.
Die Künstlerin stand auf und ging in den hinteren Bereich der Bar. Dort nahm sie in einer dunklen Nische Platz und wartete.
Einige Paare hatten sich bereits gefunden. Irgendwann zog ein Pärchen nach dem anderen ab – aufgeheizt und sichtlich willens, an einem anderen Ort weiterzumachen.
Sie verhielt sich unauffällig, bestellte zwei weitere Drinks, man störte sie nicht.
Gäste kamen und gingen. Die beiden dicken Frauen wurden von einem Pärchen abgelöst, die wiederum von vier Freunden. Die Menschen zogen weiter wie Wolken am Himmel. Und die Künstlerin wurde langsam unsichtbar.
Kurz nach Mitternacht ging auch Anna, dann Jenny, dann der Türsteher. An einem Dienstagabend war nicht viel los. Die Leute mussten am nächsten Tag arbeiten.
Als schließlich alles still war, stand plötzlich Mario Kaiser vor ihr. Es überraschte ihn sichtlich, noch einen Gast in der dunklen Ecke zu finden.
Er wies auf seine Armbanduhr.
» Wir schließen heute früher. «
» Aber natürlich. «
Sie zählte die Getränke auf, die sie konsumiert hatte.
» Wie viel muss ich bezahlen? «
Er rechnete im Kopf.
» 25 Euro. «
Sie griff in ihre Handtasche.
Die Reichweite des Pfeffersprays betrug laut Beschreibung drei bis vier Meter. Das reichte. Sie sprühte ihm direkt in die Augen.
Mario Kaiser stöhnte und riss die Hände nach oben, drückte sie gegen die Augen.
» Scheiße! « , brüllte er, während er sich vor Schmerz krümmte. Sie trat ihm mit voller Wucht in den Schritt. Er schrie laut auf und ging in die Knie.
Sie mobilisierte all ihre Wut und Verzweiflung und schleifte ihn an den Haaren Richtung Bar. Dabei trat sie ihm unentwegt in die Weichteile. Dieses Arschloch sollte leiden. Sie würde ihm auch erklären, warum.
Aus ihrer Umhängetasche zog sie eine Kette hervor, an deren Enden Handschellen befestigt waren. Sie umschloss seine Hände und Füße, zurrte die Kette an der Fußstange der Bar fest. Und wartete.
32
MARIO KAISER
D as Brennen in den Augen und der Schmerz in seinem Unterleib ließen allmählich nach, und er begann einigermaßen klar zu denken.
Sie hatte ihm Pfefferspray in die Augen gesprüht und heftig in die Eier getreten. Jetzt lag er auf dem Boden. Verdammt! Seine Hände und Füße waren mit Handschellen gefesselt. Er zerrte daran. Ein rasselndes Geräusch war die Antwort.
» Gib’s auf, Mario. «
Fassungslos starrte er auf die Frau, die noch vor wenigen Augenblicken unscheinbar in der Barnische ihren Gin Tonic geschlürft hatte und jetzt über ihn gebeugt dastand und ihn ausdruckslos ansah.
» Verdammt, was soll die Scheiße? « , fluchte er.
Sie zischte ein abfälliges Ts-ts-ts.
» Sei nicht so ungeduldig. «
Mit einer raschen Handbewegung griff sie nach etwas, das auf der Bar lag, und klebte ihm den Mund mit Klebeband zu.
» Nur für den Fall,
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