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Sarahs Moerder

Sarahs Moerder

Titel: Sarahs Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Longo
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dem Säulengang der Kirche entlang, um aus der Sonne zu kommen. Trotzdem war ich außer Atem und brauchte doppelt so lange. Als ich wieder im Kommissariat war, war ich schlimmer durchgeschwitzt als in Afrika. Ich sehnte mich nach einer eiskalten Dusche und frischen Sachen, aber bis zum Abend keine Chance – falls wir dann mal wieder Wasser hatten.
    Ich stellte den Kaffee auf den Schreibtisch und ging aufs Klo, um mir das Gesicht zu waschen und den Schweiß abzuwischen.
    Als ich vom Klo kam, hörte ich ein Telefon klingeln.
    Es klingelte, aber keiner ging ran.
    In dem Moment, als ich mich umschaute, sah ich, dass keiner da war. Vorher hatten mich die Hitze und der Traum von einer Dusche so abgelenkt, dass ich nichts bemerkt hatte. Erst jetzt fiel es mir auf.
    Niemand an den Tischen, an der Schreibmaschine oder am Kopierer, nicht mal der Kollege aus der Portiersloge war da. Und das Telefon klingelte weiter ins Leere.
    Das war sehr merkwürdig.
    »Wo seid ihr?«, rief ich laut.
    Nichts. Keine Antwort.
    Das Telefon hörte auf zu klingeln, und es war so still, dass ich Angst bekam. Nur Cardillos Ventilator lief, erst in eine Richtung, dann in die andere. Während er lief, machte er ein Geräusch wie ein verwundetes Tier.
    Ich rief nochmal, aber niemand antwortete.
    Wo waren die bloß alle?
    In diesem Augenblick kam es mir so vor, als hätte ich hinten was gehört, im Zimmer vom Commissario. Also ging ich den Korridor lang, aber vorsichtig, weil ich nervös war. Außerdem machte mir die Stille ein wenig Angst, und ich öffnete die Pistolentasche.
    Dann stand ich vor der Tür vom Commissario, die angelehnt war. Nichts zu hören.
    Ich nahm allen Mut zusammen, legte die Hand auf die Pistole, schob die Tür vorsichtig auf und schaute rein.
    Alle waren sie da. Cardillo, Scarano, Musella, Cipriani, Lo Masto, Cerasella und der Kollege aus der Portiersloge. Alle. Wie angewurzelt standen sie schweigend um den Schreibtisch vom Commissario und guckten komisch.
    Der Commissario saß mit zwei Blättern in der Hand und versteinerter Miene da, keine Ahnung, was ihm durch den Kopf ging.
    »Was ist denn hier los?«, fragte ich.
    Der Commissario warf mir einen kurzen Blick zu. Dann legte er die Blätter auf den Schreibtisch und trommelte drauf rum.
    »Der Fall ist gelöst«, sagte er mit ganz fremder Stimme.
    »Ach ja?«
    Ich schaute in die Gesichter meiner Kollegen, um was zu kapieren, aber sie schwiegen weiter.
    »Wer hat sie denn umgebracht?«
    »Keiner«, sagte der Commissario.
    Ich lächelte dümmlich.
    »Wie, keiner?«
    Der Commissario hob eins der Blätter hoch.
    »Das ist der Autopsiebericht«, sagte er.
    Und nach einer Pause:
    »Der Tod des Mädchens wurde von einem Hirnschlag verursacht.«
    Ich war wie betäubt und verstand nicht, was das hieß.
    Bewegung, ich wollte ein paar Schritte tun. Stillstehen konnte ich nicht, deshalb ging ich langsam hin und her, während ich die Stimme vom Commissario im Ohr hatte, die immer wieder »Hirnschlag« sagte. Als ob dieses Wort alles aufklären würde, ich es aber einfach nicht kapierte. Es war kaum Luft in dem Raum, deshalb öffnete ich das Fenster, und eine Hitzewelle vermischte sich mit meinen immer langsamer und schwerer werdenden Gedanken. Mir fiel ein Onkel ein, der daran gestorben war. Aber der war fast hundert gewesen, junge Leute kriegen doch so was nicht.

25.
    »Manchmal eben doch«, sagte der Gerichtsmediziner und zog sich einen Gummihandschuh über. Er war dünn und nervös, hatte ein kantiges Gesicht und blaue Augen, die so schneidend und kalt waren wie der Ort, an dem wir uns befanden. Auf dem Marmor ein mit einem Tuch bedeckter Körper und ein Geruch, der mich an die Zuckerwatte auf Volksfesten erinnerte.
    »Das Mädchen«, fuhr der Arzt fort, »hatte einen angeborenen Defekt, von dem, so scheint es, keiner was wusste. Und dieser Defekt«, sagte er und zog sich den anderen Handschuh an, »hat völlig überraschend den Schlag verursacht.«
    »Ist ein Hirnschlag nicht sofort tödlich?«, fragte der Commissario.
    »Nicht immer«, sagte der Arzt. »In einigen Fällen hat man noch Zeit, Hilfe zu holen.«
    Das war es also.
    Sarah war es nach dem Telefonat mit ihren Eltern schlechtgegangen. Sie war allein zuhause. Bei den ersten Anzeichen hatte sie einen Schreck bekommen und war aus der Wohnung raus. Sie hatte nach jemandem gesucht, hatte um Hilfe gerufen. Nichts, niemand hatte ihr geholfen. Deshalb wollte sie raus auf die Straße, an die frische Luft, ans Licht. Sie dachte, dass

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